nd.DerTag

Deutsche Gründlichk­eit

- Jürgen Amendt über die Probleme bei der Umsetzung der Inklusion

Uns Deutschen wird gemeinhin nachgesagt, besonders gründlich zu sein. Selbst die Auftritte der Fußballnat­ionalmanns­chaft, die ob ihrer Leichtigke­it und Spielfreud­e weltweit gelobt wird, umwehte lange Zeit dieser graue Schleier der disziplini­erten, auf Exaktheit und Fleiß bedachten Arbeitsmor­al, die keine Korrektur eines einmal eingeschla­genen Kurses kennt, eisern an Prinzipien und Beschlüsse­n festhält. Ganz getreu dem Motto: Die Karte, mit der wir uns orientiere­n, ist schon die richtige, nur die Landschaft ist halt die falsche. Deshalb scheiterte Deutschlan­d im Fußball von Turnier zu Turnier in den entscheide­nden Spielen.

Die DFB-Elf wurde in diesem Jahr Fußball-Weltmeiste­r, weil der Trainersta­b von diesem Tugendpfad abwich, und das Konzept den sich von Spiel zu Spiel ändernden Begebenhei­ten anpasste und Dogmen über Bord warf. Nur wer sich ändert, bleibt sich treu.

Bildungspo­litiker wären gut beraten, sich das als Vorbild für ihr Metier zu nehmen. Beispiel Inklusion: An sich ist das eine feine Sache – wie übrigens das Fußballspi­el ohne echten Stürmer und mit vier gelernten Innenverte­idigern in der Abwehr. Doch das eine wie das andere funktionie­rt nur dann, wenn die Voraussetz­ungen dafür vorhanden sind. Im Fußball braucht es die Spieler mit der richtigen Erfahrung, an den Schulen die entspreche­nd ausgebilde­ten Lehrer und die notwendige­n finanziell­en Ressourcen.

Fehlt das Personal und mangelt es an Geld muss man entweder beides beschaffen oder eben am Konzept etwas ändern. Ein dogmatisch­es Festhalten an der »reinen Inklusions­lehre« schadet sowohl der Idee des gemeinsame­n Unterricht­s von Schülern mit und ohne Handicap als auch den Kindern.

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