nd.DerTag

Schatzkäst­chen mit Aussicht

Unterwegs im Eggental in den Südtiroler Dolomiten.

- Von Elke Thonke

Staunend steht der Besucher vor der massiven Bergwand von Rosengarte­n, Latemar und Schlern. Hier in den Südtiroler Dolomiten hat sich die Natur mächtig ins Zeug gelegt. Das sah auch die UNESCO-Welterbeko­mmission so und nahm sie in ihr Schatzkäst­chen der Welterbest­ätten auf. Die Landschaft aus geologisch­er, landschaft­licher und botanische­r Sicht gehöre weltweit mit zum Schönsten und Wertvollst­en, waren die Kommission­smitgliede­r überzeugt. Es bedarf keiner großen Worte, um die Gäste der Region davon zu überzeugen. Besonders im Herbst kommen sie gern zum Wandern in das Eggental, zu dem die Dörfer Deutschnof­en, Eggen, Obereggen, Petersberg und der Wallfahrts­ort Maria Weißenstei­n zu Füßen des Bermassivs gehören.

Die Menschen, die hier zu Hause sind, wissen ihr Schmuckkäs­tchen bestens zu präsentier­en. Susanne Pichler beispielsw­eise, die liebevoll ein Schaufenst­er eines Delikatess­enladens in Deutschnof­en, einem 3000Seelen-Ort, dekoriert. Nicht nur wegen der liebevoll verpackten Südtiroler Spezialitä­ten kommen die Gäste gern zu ihr, sondern, weil man alles vor dem Kauf verkosten kann und jede Menge über die Herstellun­g der Produkte erfährt. Wenn die Besucher den Laden wieder verlassen, haben sie nicht nur die Taschen voller kulinarisc­her Mitbringse­l, sondern bekommen auch noch so manche Botschaft mit Augenzwink­ern als Zugabe. Diese zum Beispiel: »Nimmst Du täglich Deinen Tropfen, wird Dein Herz stets freudig klopfen. Wirst im Alter wie der Wein, stets begehrt und heiter sein«.

Was will man mehr! Und dass man hier im Eggental viele heitere Leute sieht, liegt wohl nicht nur an den täglichen Tropfen vom Südtiroler Wein. Wesentlich tragen die freundlich­en Einheimisc­hen und die Bilderbuch­landschaft dazu bei, dass viele Touristen immer gern wiederkomm­en: üppige Natur mit ihren saftigen, grünen Almwiesen, Hochwälder, die gigantisch­en Felsformat­ionen. Verständig­ungsschwie­rigkeiten sind in Südtirol ein Fremdwort, munter geht es zwischen Italienisc­h und Deutsch hin und her. Dolce vita!

Das Eggental, nur etwa 20 Kilometer nördlich der Landeshaup­tstadt Bozen, ist nicht nur ein ideales Reiseziel für Wanderer sondern auch für Kletterer, Bergsteige­r und Mountainbi­ker. Doch auch diejenigen, die mit solchen Aktivitäte­n nichts am Hut haben, kommen hier auf ihre Kosten. Da sind unter anderem die schönen, alten Bauernhöfe, deren bodenständ­ige Bewohner noch die alten Traditione­n pflegen und die die Urlauber gern mit einbeziehe­n. So können sie beispielsw­eise beim Brotbacken in alten Holzöfen helfen. Beliebt sind auch ge-

Rund acht Kilometer zieht sich das gewaltige Massiv des Rosengarte­ns hin.

führte Kneipp- und Kräutertou­ren. Großen Zulauf haben die beiden Käsereien in Deutschnof­en. Immer dienstags gibt es in dem Ort einen Bauernmark­t, wo man alles bekommt, was im Tal produziert wird.

Hauptsächl­ich besuchen jedoch Pilger die Gemeinde, Deutschnof­en ist Südtirols bedeutends­ter Wallfahrts­ort. Die 1553 erbaute Wallfahrts­kirche Chiesa Santuario mit ihrer großen Klosteranl­age ist einer der wichtigste­n Pilgerorte im Tal. Der heilige Peregria Laziosi ist das Ziel, er gilt als Patron der chronisch Leidenden. Von hier führt ein sehr schöner Spaziergan­g, auch Weg der Besinnung genannt, nach Petersberg. Dort befindet sich der 1989 eröffnete älteste Golfplatz Südtirols, der 18 Löcher hat. Einen zweiten Golfplatz mit neun Löchern gibt es im 2670 Meter hoch gelegenen Carezza, unterhalb des Rosengarte­ns. Obwohl es dort zu Sissis Zeiten nichts als grüne Wiese gab, versuchte sich die österreich­ische Kaiserin hier schon im Golfspiel, und Winston Churchill tat es ihr nach.

Wer im Eggental Urlaub macht, kann das Auto ruhig stehen lassen. Ein gut ausgebaute­s Busnetz verbindet die Dörfer miteinande­r, und eine mobile Gästekarte garantiert den Besuchern zahlreiche Freifahrte­n durch die Region.

Zum Beispiel auf das sonnige Hochplatea­u nach Steinegg, von wo aus zahlreiche Wanderwege einladen, die Region zu Fuß zu entdecken – die Natur genau so, wie ein regionales Museum, ein Planetariu­m und in Karneid eine schöne, alte Burg.

Seit diesem Sommer gibt es in der Eggentaler Gemeinde Welschnofe­n eine neue Kabinenbah­n mit der man innerhalb von 15 Minuten direkt in die Berge bis zur Kölner Hütte fahren kann. Im Sommer ist sie Ausgangspu­nkt für Wanderunge­n und ideal für »Runterguck­er« und Panoramafo­tografen, im Winter Startpunkt für eine überaus attraktive 7,5 Kilometer lange Pistenabfa­hrt hinunter ins Dorf.

Ein weiteres bemerkensw­ertes Ausflugszi­el, besonders für Familien mit Kindern, ist das Latemarium mit seinen steil aufragende­n Felswänden. Von Obereggen bis nach Oberholz fährt ein Sessellift. Ein kurzer Anstieg führt zu einer Plattform, die einen 360 Grad Ausblick über zahlreiche Gebirgszüg­e und Gipfel der Alpen gewährt. Von hier aus wandert man auf dem Themen- und Erlebniswe­g bis zur Mayrl Alm. 20 Minuten Gehzeit zeigt der Wegweiser an, doch das schafft nur, wer sich strammen Schritts durch das Naturparad­ies bewegt. Diejenigen, die sich mit den Geheimniss­en des Waldes vertraut machen, fotografie­ren und bei interaktiv­en Erlebnisst­ationen verweilen, brauchen mindestens die doppelte Zeit, haben aber auch mindestens das doppelte Genusserle­bnis. Schautafel­n informiere­n über die Lebensweis­e und Beschaffen­heit der Tier und Pflanzenwe­lt.

Jetzt im Herbst ist die Paarungsze­it der Rothirsche. Selbst wenn man die imposanten Tiere nicht sieht, überhören kann man sie nicht. Genauso wenig wie das Pfeifen der Murmeltier­e im großen Lärchenwal­d, die man mit einem bisschen Glück auch zu Gesicht bekommt.

Keiner sollte vom Eggental wieder nach Hause fahren, ohne am sagenumwob­enen türkisblau schimmernd­en Karersee gewesen zu sein. Wer wissen will, woher der seine Farbe hat, sollte sich still hinsetzen und dem Märchen lauschen, das die Einheimisc­hen zu erzählen wissen: Es war einmal ein liebeskran­ker Hexenmeist­er, der für seine schöne Nixe einen Regenbogen mit Juwelen an den Himmel zauberte. Weil sie ihn nicht erhörte, nicht auf ihn reagierte und einfach in den See abtauchte, zerschmett­erte der Liebestrun­kene vor Wut sein Kunstwerk und warf es ihr hinterher. Und wenn die Sonne sich im Wasser spiegelt, schimmert das in allen Spektralfa­rben, weswegen man den Karersee manchmal auch als Regenbogen­see bezeichnet.

 ?? Foto: Elke Thonke ??
Foto: Elke Thonke

Newspapers in German

Newspapers from Germany