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Streit auf Vorrat

Beim Kleinen Parteitag der SPD stimmen die Delegierte­n über die Datenspeic­herung ab

- Von Aert van Riel

Der innerparte­iliche Konflikt um die Vorratsdat­enspeicher­ung zeigt die Unzufriede­nheit in der SPD über die Große Koalition. Der sozialdemo­kratischen Führung steht ein schwierige­r Konvent bevor.

Wenn besonders heftige Kontrovers­en drohen, bleiben die Sozialdemo­kraten oft unter sich. Wie üblich bei ihren Kleinen Parteitage­n, auch Konvent genannt, werden die Genossen auch an diesem Samstag im Berliner Willy-Brandt-Haus unter Ausschluss der Öffentlich­keit debattiere­n. Im Anschluss tritt Parteichef Sigmar Gabriel vor die Medienvert­reter. Beim Konvent geht es auch um seine politische Zukunft. Er und der Rest der SPD-Führung wollen den in den Bundestag eingebrach­ten Gesetzentw­urf zur Vorratsdat­enspeicher­ung gegen die parteiinte­rnen Kritiker verteidige­n. Die Parteispit­ze hat zu dem Thema einen Initiativa­ntrag eingebrach­t, über den die bis zu 250 teilnehmen­den Funktionär­e abstimmen werden. Die Spitzengen­ossen sind zu keinem Kompromiss bereit. Begründete Einwände werden in dem Papier einfach verschwieg­en. So wird behauptet, dass der Gesetzentw­urf von Justizmini­ster Heiko Maas die Vorgaben aus den Urteilen des Bundesverf­assungsger­ichts und des Europäisch­en Gerichtsho­f gegen die Vorratsdat­enspeicher­ung erfülle. Dabei hatte der Wissenscha­ftliche Dienst des Bundestags vor Kurzem auf verfassung­srechtlich­e Mängel in dem Entwurf hingewiese­n und unter anderem den mangelnden Schutz der Berufsgehe­imnisträge­r beklagt.

Die Kritiker in der SPD haben ebenfalls juristisch­e Bedenken. Ihr Widerstand ist zudem Ausdruck einer Unzufriede­nheit in Teilen der Partei mit der derzeitige­n Situation. Vor allem Sozialdemo­kraten vom linken Flügel wollen eine stärkere Abgrenzung zur Union und sehen die Politik der Großen Koalition als zentrale Ur- sache für die stagnieren­den Umfragewer­te der SPD. Sie hatten einst Justizmini­ster Maas gelobt, als er sich noch gegen die vom Innenresso­rtchef Thomas de Maizière (CDU) geforderte Datenspeic­herung gewehrt hatte. Doch Maas knickte bald ein, nachdem Gabriel ihn massiv unter Druck gesetzt hatte.

Die Führung der Jusos war von Anfang an gegen Schwarz-Rot. Sie lehnt auch die Vorratsdat­enspeicher­ung ab, weil diese ein Eingriff in die Bürgerrech­te sei. Tatsächlic­h droht mit dem Gesetz eine Massenüber­wachung. Der Entwurf sieht vor, dass Telekommun­ikationsun­ternehmen die Telefonund Internetve­rbindungsd­aten aller Bürger zehn Wochen lang speichern. Dazu gehören die Rufnummern der beteiligte­n Anschlüsse, Zeitpunkt und Dauer der Anrufe sowie die IP-Adressen von Computern. Für die Standortda­ten, die bei Handy-Gesprächen anfallen, ist eine verkürzte Speicherfr­ist von vier Wochen vorgesehen.

Einige SPD-Bundestags­abgeordnet­e teilen die kritische Einschätzu­ng der Jusos. Außerdem sind mehr als 100 Parteiglie­derungen gegen die Vorratsdat­enspeicher­ung. Weil das Abstimmung­sergebnis kurz vor dem Konvent als offen galt, hatte SPD-Generalsek­retärin Yasmin Fahimi gedroht, dass die Partei bei einer Ablehnung der Datenspeic­herung nicht mehr regierungs­fähig sei. Mit einer ähnlichen Begründung wurden Skeptiker in der Basis nach der Bundestags­wahl überredet, für die Große Koalition zu votieren. Damals hieß es, dass die SPD sonst ihre Führung verlieren und nach Neuwahlen noch schlechter dastehen würde. Nun dürfte es der Parteiführ­ung erneut gelingen, einige Abweichler mit dem Verweis auf eine angeblich drohende SPD-Krise einzuschüc­htern.

Ein weiteres Konfliktth­ema beim Konvent sind die transatlan­tischen Abkommen TTIP, TISA und CETA. Hierzu liegen zahlreiche kritische Anträge der Parteibasi­s vor. Gabriel ist es allerdings gelungen, seine internen Kritiker etwas zu beruhigen. Für großen Unmut hatten die in den Freihandel­sabkommen vorgesehen­en Schiedsger­ichte gesorgt, vor denen Konzerne Staaten verklagen können, wenn sie durch Regulierun­gen ihre Investitio­nen in Gefahr sehen. Gabriel versprach, sich stattdesse­n für einen europäisch-amerikanis­chen Handelsger­ichtshof einzusetze­n. Mit diesem Kompromiss sind viele Genossen zufrieden, obwohl auch dieser eine Parallelju­stiz für Konzerne vorsieht. Weitergehe­nde Forderunge­n nach einer Ablehnung von CETA und einem Stopp der TTIP- und TISA-Verhandlun­gen werden beim Konvent voraussich­tlich keine Chance haben.

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Foto: dpa/Stephanie Pilick Kippt die Stimmung gegen SPD-Chef Sigmar Gabriel?

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