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»Grexit« keine Option für Griechen

Tsipras hofft auf Durchbruch bei Sondergipf­el / Prüfaussch­uss: Die Schulden sind »illegal«

- Von Roland Etzel

Zu Griechenla­nd werden sich die Finanzmini­ster der Eurozone am Montag in Brüssel vor den EU-Spitzen treffen. Sie werden auch das Votum eines Athener Prüfungsau­sschusses zu werten haben.

Die Debatte zwischen den Gläubigeri­nstitution­en und der griechisch­en Regierung um einen Ausweg aus der griechisch­en Finanzkris­e ist am Freitag weitergega­ngen, und sie hat sich zugespitzt. Offensicht­lich wurde dabei, dass es beträchtli­che Unterschie­de zwischen den Euroländer­n über den weiteren Weg von Verhandlun­gen gibt. Der französisc­he Präsident François Hollande rief dazu auf, auf dem für Montag einberufen­en Sondergipf­el »alles für einen Kompromiss« mit Athen zu tun. Dagegen wurde von Österreich­s Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling offene Kritik daran laut, dass EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk den Sondergipf­el überhaupt angesetzt hat. Angesichts der von ihm unterstell­ten fehlenden Vorschläge Griechenla­nds sei dies »nicht sehr zielführen­d«.

Unabhängig davon hat Griechenla­nds Ministerpr­äsident Alexis Tsipras ein mögliches Ausscheide­n seines Landes aus dem Euro als »Anfang vom Ende der Eurozone« bezeichnet. Der sogenannte Grexit könne »keine Option sein, weder für die Griechen noch für die Europäisch­e Union«, sagte Tsipras dem Wiener »Kurier« vom Freitag. Ein Euroaustri­tt wäre ein »irreversib­ler Vorgang«. Es würde auch »das Scheitern der europäisch­en Idee bedeuten«.

Tsipras sagte weiter, dass die Debatte über den Grexit begonnen habe, als in Griechenla­nd mit der Umsetzung der rigiden Sparprogra­mme begonnen worden sei. Diese von EU und Internatio­nalem Währungsfo­nds (IWF) aufgezwung­enen Sparprogra­mme könnten von der griechisch­en Bevölkerun­g nicht verkraftet werden. Auch habe es dadurch keine positiven Effekte für die Wirtschaft gegeben. «Das Gesamtkonz­ept sollte geändert werden«, forderte Tsipras.

Die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) hat den finanziell­en Spielraum für die griechisch­en Banken unterdesse­n ausgedehnt. AFP meldete am Freitag unter Berufung auf Bankenkrei­se, die EZB erweitere den Rahmen für die sogenannte­n Notkredite. Die neue Höhe wurde aber nicht bekannt gegeben.

Wenig gefallen dürfte den Kritikern Athens das Gutachten, das die die griechisch­e Parlaments­präsidenti­n Zoé Konstantop­oulou im April in Auftrag gegeben hatte und dessen Ergebnisse sie nun öffentlich machte. Erstellt wurde es von einem Prüfaussch­uss. Diesem gehören internatio­nale Experten an, zum Beispiel der Belgier Eric Toussaint, ein Spezialist zum Thema Staatsschu­lden und Glo- balisierun­g. Er und weitere Mitglieder des Ausschusse­s gehören auch dem Komitee für den Erlass der Schulden der Dritten Welt an.

Der Prüfaussch­uss bezeichnet die Forderunge­n von Griechenla­nds ausländisc­hen Gläubigern als illegal. Diese hätten »das europäisch­e und internatio­nale Recht mit Füßen getreten ebenso wie die Menschenre­chte«. Ihr Vorgehen sei »schändlich« gewesen, »denn die Gläubiger und die EU haben die möglichen Folgen gekannt«, hätten allerdings »die Augen vor den Verletzung­en der Menschenre­chte verschloss­en«. Die eindeutige Schlussfol­gerung der Experten lautet: »Griechenla­nd muss diese Schulden nicht bezahlen.«

Toussaint zieht eine Parallele zwischen Griechenla­nd und Ecuador. Dessen Auslandsve­rbindlichk­eiten wurden 2007 zum wesentlich­en Teil als sittenwidr­ig eingestuft und erlas- sen. Konstantop­oulou will die Prüfungen fortsetzen lassen. Demnächst will sie die früheren Chefs von EZB und IWF, Jean-Claude Trichet und Dominique Strauss-Kahn aus Frankreich, um Stellungna­hmen bitten.

Nach der Unterstütz­ung, die Tsipras auf einer Großdemons­tration am Mittwoch in Athen erfahren hatte, versammelt­en sich einen Tag später offensicht­liche Gegner seiner Politik – laut AFP zwischen 6000 und 7000 – unter dem Motto »Wir bleiben in Europa« vor dem Parlaments­gebäude in Athen. Auf den Transparen­ten der Demonstran­ten standen Slogans wie »Griechenla­nd – das sind nicht nur Rentner, sondern auch Unternehme­n« oder »Nein zum Stalinismu­s in Griechenla­nd«. Dimitris Alefandis, Eigentümer eines Bauunterne­hmens erklärte, er sei »zu 100 Prozent einverstan­den« mit den Forderunge­n von EU und IWF an sein Land.

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Fotos: dpa/Yannis Kolesidis Was Brüssel verbunden hat, darf der Mensch nicht trennen: Die Griechen wollen in der Eurozone bleiben.
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