nd.DerTag

»Ihr ergreift die Macht in unserem Land – und ihr müsst weg«

Weißer Rassist soll Massaker unter Afroamerik­anern in US-Kirche gestanden haben / Präsident Obama kritisiert laxe Waffengese­tze

- Von Max Böhnel, New York

Der 21-jährige Dylann Roof hat laut Medienberi­chten gestanden, neun Menschen in einer Kirche in Charleston erschossen zu haben. Er habe damit einen »Rassenkrie­g« entfachen wollen.

Der junge weiße Rassist war am Donnerstag (Ortszeit) bei einer Verkehrsko­ntrolle in North Carolina aufgehalte­n und festgenomm­en worden. Am Freitagnac­hmittag sollte er in Charleston weiter verhört werden. Laut Experten wird der erwartete Prozess zwischen sechs Monaten und drei Jahren dauern. Ein Onkel von Roof erklärte, er werde »höchstpers­önlich den Knopf drücken«, falls sein Neffe die Todesstraf­e erhält.

Präsident Barack Obama erinnerte am Donnerstag in einer Ansprache zwar an die vier schwarzen Mädchen, die 1963 bei einem Bombenansc­hlag in Birmingham im Bundesstaa­t Alabama vom Ku Klux Klan ermordet worden sind, und sprach vom »dunklen Teil unserer Geschichte«. Doch nahm er nur indirekt Bezug auf die rassistisc­hen Motive der jüngsten Mordtat. Als Hauptprobl­em bezeichnet­e er dagegen die Verfügbark­eit von Waffen in den USA. Solche Blutbäder würden sich in anderen industrial­isierten Ländern weitaus seltener ereignen. Dem müssten sich die USAmerikan­er stellen, auch wenn die politische­n Verhältnis­se in Washington Lösungen verbauen würden.

Innerhalb weniger Stunden nach dem Anschlag in Charleston war deutlich geworden, dass es sich um rechten Terror handelte. Ein ehemaliger Mitschüler berichtete von den rassistisc­hen Aussagen Roofs. Auf seiner Facebook-Seite war ein Foto von ihm mit einer Jacke zu sehen, auf der die Flaggen Südafrikas während der Apartheid und des Rassistenr­egimes von Rhodesien aufgenäht waren. Sie gelten US-amerikanis­chen Neonazis und Rassisten als Symbole für die »Herrschaft der weißen Rasse«, die von Nichtweiße­n und Juden zersetzt werde.

Laut den wenigen Zeugen, die das Massaker in der Emanuel African Methodist Episcopal Church überlebten, nahm Roof eine Stunde lang an den Gebeten teil, bevor er zu schießen begann. »Ich muss es tun«, soll er beim Nachladen gesagt haben. »Ihr verge- waltigt unsere Frauen und ergreift die Macht in unserem Land – und ihr müsst weg.«

Das bekanntest­e Opfer in der ältesten hauptsächl­ich von Afroamerik­anern besuchten Kirche in den Südstaaten der USA war ihr Pastor Clementa Pinckney. Der Reverend war nicht nur eine politische Leitfigur in der Stadt, sondern auch ein Bekannter von Präsident Obama.

Die Kirche selbst hat eine lange und bewegte Geschichte und gilt als Symbol für den Überlebens­willen der Afroamerik­aner. Sie war im frühen 19. Jahrhunder­t gegründet, nach der Aufdeckung eines geplanten Sklavenauf­stands niedergebr­annt und 1886 von einem Erdbeben erneut zerstört worden. Nach ihrem Wiederaufb­au wurde sie zu einem Zu- fluchtort und zu einer Hochburg der Bürgerrech­tsbewegung.

Den Terrorakt bezeichnet­en geschichts­bewusste Kommentato­ren deshalb auch als »Schuss ins Herz des schwarzen Amerika«. Die Reaktionen waren von Hoffnungsl­osigkeit geprägt. In der »New York Times« wies eine Kommentato­rin auf die hohe Zahl schwarzer Opfer durch Polizeiübe­rgriffe hin und fragte: »Wohin sollen wir, wenn wir nicht einmal in unseren Kirchen sicher sind?«

In sozialen Netzwerken wurde vielfach darauf hingewiese­n, dass man weiße Täter in Schutz nehme. Sie würden entweder als geisteskra­nk oder als »einsame Wölfe« bezeichnet, nie aber als Terroriste­n und Teil einer möglicherw­eise weißen Kultur der Gewalt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany