nd.DerTag

Zugbrücke hoch!

- Von Jürgen Amendt

Eine

Bekannte von mir stammt aus Dänemark. In ihrem Heimatland würde jeder jeden kennen und jeder jeden duzen, sagt sie. Soviel Nähe könne problemati­sch sein, meint meine dänische Bekannte. Der Sozialstaa­t und die liberale Gesellscha­ft in Dänemark funktionie­rten nur deshalb vergleichs­weise so gut, weil die Dänen faktisch unter sich bleiben könnten. Einwanderu­ng gebe es nur in Maßen und wenn, dann würde das Land meist von deutschen Studienrät­en und ihren Familien im Volvo heimgesuch­t.

Die »Dansk Folkeparti« hat wahrschein­lich gegen deutsche Volvo-Fahrer eher nichts, aber gegen andere Ausländer schon. Mit Parolen gegen Flüchtling­e und Ausländer, der Forderung nach Wiedereinf­ührung der Grenzkontr­ollen wurde die Partei bei den Wahlen in Dänemark mit 21 Prozent zweitstärk­ste Partei. Man muss sich die Bedeutung dieses Ergebnisse­s so vorstellen, als wenn in Deutschlan­d Pegida ein Fünftel der Stimmen bei der nächsten Bundestags­wahl erreichen würde.

Eine der erfolgreic­hsten dänischen TV-Serien der letzten Jahre hieß »Borgen«. Die Politikeri­n Brigitte Nyborg aus einer fiktiven liberalen Partei wurde zu Beginn der Serie zur ersten Premiermin­isterin Dänemarks gewählt. In Deutschlan­d war die Serie ebenfalls beliebt – vor allem bei Linken. Im Vergleich mit Angela Merkel war Brigitte Nyborg auf jeden Fall die bessere Bundeskanz­lerin. Schon immer mussten die Dänen, dieses kleine sympathisc­he skandinavi­sche Völklein am Rande Skandinavi­ens, hierzuland­e als Projektion­sfläche für linke Utopien herhalten. In Ost wie West übrigens. Was dem DDR-Bürger die Olsenbande war, die in vierzehn Spielfilme­n den Reichen das nehmen wollten, was diese sich illegal angeeignet hatten, war der Gewerkscha­ftslinken in der BRD der Sozialstaa­t skandinavi­scher Prägung am Beispiel Dänemarks. Kostenlose Kitas, kostenlose Schulen, kostenfrei­e Universitä­ten, gesetzlich­er Mindestloh­n und 33-Stunden-Arbeitswoc­he. Die Dänen hatten das, was sich linke Sozialdemo­kraten und Gewerkscha­ften auch für Deutschlan­d erhofften. Von Dänemark konnte man träumen. Die Olsenbande scheiterte übrigens bei ihren Versuchen, dem kleinen Mann Gerechtigk­eit widerfahre­n zu lassen, regelmäßig, aber immer auf sympathisc­he Art und Weise.

»Borgen« heißt auf Deutsch »Die Burg«. Eine Burg bietet der Gemeinscha­ft Schutz und Fürsorge. Eine Burg ist praktisch: Wenn Fremde ungebeten kommen, zieht man einfach die Zugbrücke hoch.

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