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Alleinsein? Kommen Sie in die Altmark!

Regionalwe­rbung sorgt für Gesprächss­toff, kommt aber nicht bei jedem gut an

- Von Janine Gürtler, Magdeburg dpa/nd

In der Altmark wird Bevölkerun­gsschwund als sexy vermarktet. Weitere kuriose Werbekampa­gnen sorgen in Sachsen-Anhalts Kommunen für Diskussion­en.

Womit kann eine Region werben, die nur dünn besiedelt ist? In der Altmark versucht man es mit Selbstiron­ie. Auf Plakaten heißt es zum Beispiel: »Wenn Sie mal niemanden mehr sehen wollen.« Zu sehen ist ein Angler, der mutterseel­enallein am See hockt. Der Slogan ist Teil der Kampagne »Grüne Wiese mit Zukunft«, mit der man Touristen und Investoren in die Region im Norden Sachsen-Anhalts locken will. Dass Bevölkerun­gsschwund als attraktiv vermarktet wird, stößt allerdings auf Kritik. Die Kampagne lade zur »Beerdigung auf der grünen Wiese« ein, spottet etwa Arendsees Bürgermeis­ter Norman Klebe (CDU). Er glaubt, dass solche Botschafte­n Touristen eher abschrecke­n – und sieht den Stolz der Altmärker verletzt. »Hier in Arendsee kommt das bei niemandem gut an.«

Der sarkastisc­he Zungenschl­ag ist durchaus gewollt. »Heutzutage muss man auffallen«, sagt Gerhard FallerWalz­er von der Regionalen Planungsge­meinschaft Altmark, die die Kampagne in Auftrag gegeben hat. Ein frecher Slogan bleibe eher im Gedächtnis. Und in den Großstädte­n komme die Kampagne sehr gut an. »Mit dem Bedürfnis nach Ruhe treffen wir genau den Nerv der Leute.«

Dabei ist die Altmark nicht die einzige Gegend in Sachsen-Anhalt, deren Marketings­trategie für Spott bei den eigenen Bewohnern sorgt. 2014 spaltete ein Imagefilm der Stadt Halle die Geister: In dem 30 000 Euro teuren Streifen, mit dem sich die Stadt auf der Münchener Immobilien­messe präsentier­te, führt eine junge Frau mit Minikleid und High Heels durch die

Farbenfroh Stadt. Ein Umstand, der so manchen Hallenser irritierte: »Ein fünf Zentimeter längerer Rock, weniger Einblendun­gen der Fingernäge­l sowie stöckelnde­n Füße und auch das Einsparen des lasziven Räkelns auf dem Uniplatz hätten der Seriosität des Videos gut getan«, schreibt ein User im Netz. Andere bemängeln dort die hohen Kosten.

Den Vorwurf der Geldversch­wendung musste sich auch die AltmarkKam­pagne immer wieder gefallen lassen. Allein in die Entwicklun­g der Kampagne flossen 40 000 Euro. In der vergangene­n Woche hat das Projekt noch einmal eine kräftige Finanzspri­tze bekommen: 80 000 Euro spendiert das Land Sachsen-Anhalt.

Die Investitio­ns- und Marketing- gesellscha­ft Sachsen-Anhalt steht hinter der Kampagne – schließlic­h hat sie von Anfang daran mitgewirkt. »Die Optik ist erfrischen­d anders«, sagt Sprecherin Frauke Flenker-Manthey. Sie betont jedoch, dass es bei regionaler Eigenwerbu­ng nicht vordergrün­dig um Provokatio­n gehe, sondern darum, Unternehme­n und Touristen in die Region zu locken. Laut Statistisc­hem Bundesamt stieg die Übernachtu­ngszahl in der Altmark im ersten Quartal dieses Jahres um 0,8 Prozent auf 81 644. Ob das der kuriosen Eigenwerbu­ng zu verdanken ist?

Ein Beispiel dafür, dass polarisier­ende Werbung zu mehr Bekannthei­t verhelfen kann, ist der Slogan von Sachsen-Anhalt selbst: Mit dem Spruch »Wir stehen früher auf« macht das Bundesland seit rund zehn Jahren Reklame. Viele Sachsen-Anhalter fühlen sich allerdings veräppelt: Denn die wenigsten stehen tatsächlic­h freiwillig mitten in der Nacht auf, sagen Kritiker – sondern weil sie zur Arbeit pendeln müssen.

Trotzdem lag der mittlerwei­le umstritten­e Slogan nicht nur auf der bundesweit­en Bekannthei­tsskala auf Platz zwei, er schaffte es sogar in die Werbekampa­gne eines anderen Bundesland­es. Baden-Württember­g, das für seine humorvolle Selbstverm­arktung bekannt ist (»Wir können alles. Außer Hochdeutsc­h.«), nahm 2011 in seinem Landesslog­an die Kampagne Sachsen-Anhalts aufs Korn: »In Sachsen-Anhalt steht man früher auf. Bei uns bleibt dafür niemand sitzen.«

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Foto: dpa/Jens Wolf aber verlassen: Fachwerkha­us in der Altmark

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