nd.DerTag

Sieben Tage, sieben Nächte

- Oer

Große Ereignisse mit hoher journalist­ischer Ausbeute werfen ihre Schatten voraus. Auf Politik, Medien und die Konsumente­n von beidem wartet ein wahrlich heißer Sommer – selbst wenn die Temperatur­en nicht mitspielen sollten. Von wegen, überall im Lande beginnt die Ferienund die in den Redaktione­n gefürchtet­e Saure-Gurken-Zeit. Nicht einmal die Anfang Juli beginnende Sommerpaus­e des höchsten deutschen Parlaments – eigentlich­e Blütezeit von Hinterbänk­lern und Stallwache­n – verspricht 2015 so bizarre Sommerloch-Schlagzeil­en, wie in anderen Jahren. Denn was sind schon einstige Aufreger, wie Mallorca als 17. Land der Bundesrepu­blik, ein Veggie Day oder die Ehe mit Ablaufdatu­m gegen die Fortsetzun­g des politische­n wie medialen Krieges gegen die Griechen im Allgemeine­n und deren Regierung im Besonderen.

Dass die Zeitung mit den vier großen Buchstaben der Kanzlerin in dieser Woche eine fiktive Regierungs­erklärung in den Block diktierte, mit der sie Athen endlich den Rausschmis­s aus dem Euro erklären sollte, ist nicht der einzige Beleg dafür. Auch in den sogenannte­n seriöseren Medien werden dem Publikum alle Tage und beinahe zu jeder Stunde Diffamieru­ngen diverser SYRIZA-Politiker in mundgerech­ten Häppchen gereicht.

Das muss aber auch nicht sonderlich verwundern, wenn die demokratis­ch gewählte Regierung in Athen von einem CSU-Generalsek­retär kurzerhand zu »Faxenmache­rn« erklärt wird, der oberste Sozialdemo­krat ungeniert die nationale Karte spielt oder der Kassenwart der Bundesregi­erung sich immer aufs Neue zum europäisch­en Zuchtmeist­er aufspielt.

Nein, dieser Sommer wird garantiert nicht so wie in anderen Jahren. Und nicht nur für die griechisch­e Bevölkerun­g steht eine Menge auf dem Spiel. Auch für Angela Merkel. Die einen spekuliere­n munter über ein längst stattgefun­denes Zerwürfnis mit ihrem Finanzmini­ster. Andere über ihre bevorstehe­nde Berücksich­tigung des Grummelns in den eigenen Reihen und damit zwangsläuf­ige Verabschie­dung von den europäisch­en Visionen des alten Oggersheim­ers. Und die dritten rechnen unbeirrt damit, dass auch diese Kanzlerin auf ihren Platz in den Geschichts­büchern schielt und deshalb eine Pleite für Griechenla­nd wie die EU nicht riskieren will. Ganz abgesehen davon, dass sich für die erste deutsche Regierungs­chefin aus dem Osten am 3. Oktober die 25 Jahre Deutsche Einheit, einschließ­lich deren BillionenK­osten, nur halb so gut feiern lassen würde, wenn an einem Bruchteil davon und durch ihr persönlich­es Mittun die europäisch­e Einheit gerade gründlich vergeigt wird.

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