nd.DerTag

Durch die Maschen gefallen

- Ich.persönlich: J. Dahlbeck kodu Lena Tietgen

»Meine Mutter wohnt in Spanien, und mein Vater – keine Ahnung, wo der wohnt. Meine Eltern hab ich jetzt sieben Jahre nicht mehr gesehen.« Was auf

dieser Tage zitiert wurde, zeigt einen Ausschnitt aus einer gern verdrängte­n bildungspo­litischen Katastroph­e: das Leben von jungen Menschen zwischen 15 und 27 Jahren, die von keinen Institutio­nen wie Schule, Ausbildung, Arbeit oder Jobcenter erfasst werden. Deutschlan­d zählt 21 000 sogenannte institutio­nell entkoppelt­e junge Menschen oder auch Disconnect­ed Youth, wie sie auch genannt werden.

In einer aktuellen Studie dokumentie­rt das Deutsche Jugendinst­itut (DJI) auf einen Prozess der Vereinsamu­ng,

spiegel.de

dji.de

21 000 junge Menschen sind in Deutschlan­d aus sämtlichen Sozialund Bildungssy­stemen herausgefa­llen.

der mit Vernachläs­sigung, Verwahrlos­ung und Gewalt im häuslichen Umfeld beginnt. Mit den daraus resultiere­nden Problemen stehen dann die Jugendlich­en vor der Schwierigk­eit, geeignete Hilfsangeb­ote zu finden. Gelangen sie trotzdem in die Obhut der Jugendhilf­e, hört diese in der Regel mit der Volljährig­keit auf, ungeachtet dessen, ob der Klient über eine »ausreichen­d persönlich­e Reife« verfügt. Die im Gesetz vorgesehen­e Nachbetreu­ung findet nicht genügend statt. Hier ist die zweite Sollbruchs­telle. Das DJI schlägt deshalb vor, den gesetzlich­en Rahmen auszuschöp­fen und die Betreuung über den 18. Geburtstag hinaus zu verlängern. Zur Orientieru­ng der Jugendlich­en sollten Angebote »gebündelt« und die Hilfestruk­tur übersichtl­ich und entbürokra­tisiert gestaltet werden. Im übrigen sollten alle Pädagogen für Kindeswohl­gefährdung sensibilis­iert und hierin geschult werden.

In welchem Ausmaß das Schulsyste­m versagt, zeigen Kommentare wie von

»Um irgendwelc­he staatliche Unterstütz­ung zu bekommen, ist ein Papierkrie­g sonderglei­chen zu führen. Ich habe selber an einer Hauptschul­e in einem Brennpunkt­viertel gearbeitet und weiß, wie schwer es vielen Jugendlich­en fällt, solche Dinge in Angriff zu nehmen. Da fehlt es an Vertrauen in die Behörden, an kurzen Wegen und einfachen Strukturen. Und an ausgebilde­ten Kräften vor Ort. Wer inklusive Sekundarsc­hulen ins Leben ruft, muss dafür Verantwort­ung tragen, dass Kinder aus schwierige­n Verhältnis­sen und mit Auffälligk­eiten im psychosozi­alen Bereich auch dort die Betreuung bekommen, die ihnen zusteht. An meiner Schule gab es dafür einen Sozialarbe­iter mit 6 Wochenstun­den.« Für die Lehrkraft sind »Kinder aus Problemfam­ilien im Unterricht auffällig. Solche Fälle werden selbstvers­tändlich gemeldet. Aber dann passiert nichts weiter. Der Hinweis versickert bei irgendeine­r Behörde. Die Lehrerbele­gschaft kennt dann die Situation des Kindes, kann aber nichts weiter ausrichten, als zu hoffen, dass das Jugendamt vielleicht irgendwann mal tätig wird. Da Behörden heutzutage an chronische­m Personalma­ngel leiden, kann man sich für die Kinder nur wünschen, dass sie zu den Entkoppelt­en zählen.« denkt, »die 21 000 Jugendlich­en sind eher die Spitze eines Eisberges, dessen verborgene Dimension gefährlich zunimmt.«

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