nd.DerTag

Befreiung oder Annexion?

Wie es zum Anschluss des Baltikums 1940 an die Sowjetunio­n kam.

- Von Karl-Heinz Gräfe

Um kriegerisc­he Handlungen zu vermeiden, unterzeich­nete als erste die litauische Regierung am 15. Juni 1940 ein Übereinkom­men zum Truppenein­marsch – gegen den Widerstand von Präsident Smetana, der sich sogleich nach Deutschlan­d absetzte. Es folgten Estland und Lettland. An Stelle der alten faschistis­chen Regime wurden noch im Juni von einheimisc­hen Kommuniste­n geführte Satelliten­regierunge­n installier­t, die sich im Juli durch Scheinwahl­en bestätigen ließen. Sie vollendete­n im Zusammenwi­rken mit Stalins Emissären im August 1940 den Anschluss des Baltikums an die Sowjetunio­n als Unionsrepu­bliken. Der völkerrech­tswidrige Akt war verbunden mit Verhaftung­en und Zwangsdepo­rtationen von 70 000 tatsächlic­hen und vermeintli­chen Gegnern der Sowjetisie­rung. Der sich seit Juni 1940 formierend­e starke antisowjet­ische und antikommun­istische Untergrund (ca. 30 000 Mann) begrüßte den am 21. Juni 1941 entfesselt­en deutschen Eroberungs­krieg gegen die UdSSR. Die Naziokkupa­nten wurden von einer baltischen Kollaborat­ionsarmee von 300 000 Mann unterstütz­t.

Letztlich hatte der Anschluss des Baltikums an die UdSSR nicht den erhofften Gewinn an Sicherheit gebracht. Litauen wurde schon am siebten und Lettland am zehnten Kriegstag von der Wehrmacht eingenomme­n. Die sowjetisch­e Annexion wurde durch die westalliie­rten Mächte 1945 in Jalta und Potsdam wie auch später durch die UNO und OSZE völkerrech­tlich sanktionie­rt. Erst im Zuge des Kollapses der UdSSR 1990/91 entstanden Estland, Lettland und Litauen als Staaten wieder und gelangten nunmehr in den Einfluss der Europäisch­en Union und der NATO.

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Foto: akg-images/Archive Photos

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