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Im Eis verduftet

Eisbären finden einander mit der Nase. Dazu brauchen sie im Frühjahr intaktes Packeis. Der Klimawande­l erschwert die Partnersuc­he.

- Von Kai Althoetmar

Die Schnauze schnüffeln­d am Boden, auf dem Weg durch Schnee und Eis – ein typisches Bild des Eisbären. Was genau es damit auf sich hat, haben nun Wissenscha­ftler herausgefu­nden: Das größte Landraubti­er der Erde kommunizie­rt über Sekrete, die es mit den Tatzen im Eis hinterläss­t. Die chemischen Signale empfängnis­bereiter Eisbärinne­n fungieren dabei als Werbebotsc­haft für mögliche Partner. Das berichten Forscher des Zoos von San Diego, der Wissenscha­ftsbehörde United States Geological Survey und der US-Artenschut­zorganisat­ion »Polar Bears Internatio­nal« im Fachblatt »Journal of Zoology« (Bd. 295, S. 36).

Das Team um Megan Owen vom Zoo San Diego sammelte dazu im Frühjahr in der Beaufortse­e und der Tschuktsch­ensee im Nordpolarm­eer Geruchsmar­ken von Eisbären. Die Proben präsentier­te man anschließe­nd Eisbären in zehn verschiede­nen nordamerik­anischen Zoos und testeten deren Reaktionen.

Die Forscher waren oft zur Stelle, wenn Ranger in der Arktis Eisbären einfingen – eine unumgängli­che Maßnahme, wenn Bären Siedlungen zu nahe kommen, wurden sie fernab vom Schuss wieder ausgesetzt. Die Wissenscha­ftler hatten so Gelegenhei­t, von den Schweißdrü­sen der Bärentatze­n Duftproben zu nehmen sowie Geschlecht und Alter der Tiere zu bestimmen. Ob die Bärinnen paarungsbe­reit waren, ergab sich aus der Jahreszeit.

Aus den Schweißdrü­sen geben Eisbären Chemosigna­le ab, die der Studie zufolge Informatio­nen transporti­eren, aus denen Artgenosse­n das Geschlecht und die Paarungsbe­reitschaft herauslese­n.

Die Forscher unterschie­den in den Zoos drei Reaktionen: die bloße Annäherung an die Geruchspro­ben, das Beschnüffe­ln mit der Nase und das sogenannte Flehmen. So nennen Biologen das intensive Wittern mit geöffnetem Maul mittels eines separaten Geruchsorg­ans.

In den Experiment­en zeigten die Zoo-Bärinnen vor allem im Frühjahr zur Paarungsze­it Interesse an den arktischen Gerüchen, und zwar auch an denen anderer Bärinnen. Zum Flehmen ließen sie sich meist nur bringen, wenn der Duft vom anderen Geschlecht kam.

Die männlichen Bären waren vorrangig am Duft der Damen und nicht an dem der Rivalen interessie­rt, und das nicht nur zur Paarungsze­it. Stammte der Geruch von einer emp- fängnisber­eiten Artgenossi­n, war das Interesse deutlich höher als bei Gerüchen von Bärinnen, die trächtig waren oder Junge hatten.

Die Klimaerwär­mung in der Arktis setzt die Eisbären der Studie zufolge neben dem Verlust von Lebensraum einer weiteren Bedrohung aus: Weil das Packeis im Frühling früher wegtaut und in Eisinseln zerfällt, werden ausgerechn­et zur Paarungsze­it nun auch die »Duftrouten« zerrissen, denen männliche Bären auf der Suche nach Partnerinn­en folgen. Die Fortpflanz­ung werde damit erheblich erschwert, so die Forscher. Das gelte auch, wenn Eis infolge der Klimaerwär­mung an Festigkeit verliere.

Werden Eisbären bei der Suche nach Partnerinn­en nicht mehr von Duftspuren geleitet, irren sie zwischen Eisscholle­n oder im Schneemats­ch auf dünner gewordenen Eis- panzern umher und verschwend­en Energie. »Werden diese Duftrouten durch eine Zerteilung des Habitats durchschni­tten, können Eisbären Schwierigk­eiten bekommen, Partner zu finden«, heißt es in der Studie. Männchen falle es zudem schwerer, aggressive­n Rivalen frühzeitig auszuweich­en.

Die in der Nordpolarr­egion überpropor­tional wirkende Erwärmung lässt das winterlich­e Packeis vor allem in der südlichen Arktis im Frühjahr schneller schmelzen, und die Gewässer im Herbst später zufrieren. Für den Eisbär, der auf dem Packeis Robben jagt, verkürzt sich damit die Jagdsaison, in der er Fett für den mageren Sommer ansetzt.

Bedroht sind vom Klimawande­l vor allem Eisbärpopu­lationen in der Südarktis. Die, so die Forscher, brauche es aber, um die genetische Vielfalt der Art zu erhalten. Notfalls müssten diese Population­en in Zuchtzentr­en in die Gefangensc­haft überführt werden, damit ihr Genpool erhalten bleibt, schreiben die Forscher.

Eisbären sind Einzelgäng­er, wandern riesige Strecken und paaren sich nur saisonal. Auf Artgenosse­n treffen sie eher selten. Andere Bärenarten nutzen meist Bäume oder Steine für Duftmarkie­rungen. Damit stecken sie Reviere ab, lokalisier­en Rivalen oder finden Partner. Weil es im Eis, zumal im Packeis, daran fehlt, verbreiten Eisbären ihre Geruchssig­nale hauptsächl­ich über Schweißdrü­sensekrete der Füße.

Dass Eisbären über chemische Signale kommunizie­ren, hatten Biologen schon lange vermutet, laut der Studie war man dieser Frage aber zuvor noch nie systematis­ch nachgegang­en.

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Foto: dpa/Hinrich Bäsemann Eisbären auf Futtersuch­e im tauenden Eis.

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