Sonne, Wind und ... Sauerstoff
An Tagen, an denen der Himmel blau ist und die Sonne angenehm wärmt, an solchen, an denen der laue Wind tief durchatmen lässt, da scheint unsere Umwelt wie für uns gemacht. Doch ist sie das? Mitnichten! All das, was wir in der Natur genießen, bedroht uns zugleich.
Schon der lebensnotwendige Sauerstoff, den wir einatmen, ist nicht ohne! Als er sich vor Urzeiten in der Atmosphäre anreicherte, vernichtete das mehr als 99 Prozent des bis dahin existierenden Lebens. Unter den wenigen Organismen, die widerstanden, waren einige zufällig genetisch so ausgestattet, dass es ihnen nicht nur gelang, den aggressiven Sauerstoff biochemisch zu bändigen, sondern sie konnten die dabei frei werdende Energie sogar nutzen.
Aus solchen frühen Lebensformen wurden vermutlich auch die Mitochondrien, die Kraftwerke in unseren Zellen, rekrutiert. Das Mehr an Energie ermöglichte in einem enormen Entwicklungsschub auch die Entstehung mehrzelliger Lebewesen. Doch die zerstörerische Kraft des Sauerstoffs ist noch immer dieselbe. Und so lässt er nicht nur Stahl rosten, er oxidiert auch das Eisen des roten Blutfarbstoffes, des Hämoglobins. Das dabei gebildete Methämoglobin kann keinen Sauerstoff mehr von der Lunge zu den Organen transportieren. Deshalb entstand bei den Sauerstoff atmenden Organismen der evolutionäre Zwang, Mechanismen zu entwickeln, die dieser Oxidation entgegenwirken. Selbst ein Erklärungsversuch des Alterns beruht auf den im Körper ablaufenden Oxidationsprozessen. Auch dagegen sind verschiedenste Schutzmechanismen, etwa auf der Basis von Vitamin C, E oder anderen Antioxidantien entstanden.
Und der lau fächelnde Wind? Sicher, er kühlt uns im Sommer. Aber hätten wir nicht dieses kompliziert aufgebaute und größte all unserer Organe, das uns umfassend schützt – die Haut –, dann würde uns selbst das laueste Lüftchen austrocknen und so umbringen.
Und die wärmende Sonne ist besonders tückisch. Zwar kommt alle Energie, die wir nutzen, auch die in unserer Nahrung, letztlich von der Sonne. Und dennoch bedroht sie uns gleichzeitig in vielfältiger Weise. Allein ihr Gleißen ließe uns erblinden, schlössen wir nicht reflexhaft die Augen. Und selbst ihre angenehmen, für uns unverzichtbaren Strahlen haben die Kraft, die Erbsubstanz unserer Haut zu schädigen.
Natürlich haben sich auch dagegen Schutzmechanismen entwickelt. So legt sich der Farbstoff, der sich beim Bräunen bildet, als Schutzkappe über den Zellkern. Und da trotzdem DNA-Moleküle geschädigt werden, entstanden Enzyme, die die Schäden sofort präzise reparieren. Versagen sie, kann das Gewebe zum Tumor entarten.
So hat alles in unserer Welt zwei Gesichter. Ja, wir können leben in dieser Welt. Aber nicht, weil die Bedingungen etwa speziell für uns gemacht wären, sondern, weil wir evolutionär den uns möglichen Platz in ihr besetzt haben.