München leuchtet tatsächlich
Was Thomas Mann mit einem Augenzwinkern meinte, wurde wahr.
Thomas Mann brachte es auf den Punkt: »München leuchtet«. Allerdings wollte der Schriftsteller damit augenzwinkernd über die Kunststadt herziehen. Ihr kommerzieller Ansatz entsprach nicht den Idealen des Literaten. Ironie hin oder her. Inzwischen ist sein Ausspruch längst in der Gegenwart angekommen. Ausgerechnet das Stadtmarketing hat diese werbewirksame Steilvorlage aufgegriffen. Seitdem bringt »München leuchtet« den Stolz auf die bayerische Landeshauptstadt zum Ausdruck.
Das Schöne: München leuchtet tatsächlich. An allen möglichen Stellen. Innen wie außen. Auch jenseits von PR-Kategorien. Klima, kreative Bewohner, Geschmack und vermutlich entsprechende Finanzen für Museen, Schlösser und Denkmäler leg(t)en dafür solide Bausteine.
Vielleicht war der Umzug der Universität von Landshut nach München 1826 der geniale Startschuss. Die Gründung der Kunstakademie tat jedenfalls ab 1885 das Ihre dazu. München wurde Kunststadt und Schwabing das Künstlerviertel schlechthin. Um 1900 waren hier – nördlich der Innenstadt – 1200 Künstler registiert. Davon allein 460 Volkssänger!
Diese eingeschworene Bohème zog permanent um. In der Hoffnung, eine bessere – sprich günstigere – Unterkunft zu bekommen. Ansonsten kannte man sich, besuchte nachts Künstlerkneipen oder war ganz banal der Nachbar von Wassily Kandinsky. Wie Paul Klee 1911 in der Ainmillerstraße. Was tatsächlich kurz darauf schon kunsthistorische Folgen haben sollte, denn Klee wurde 1912 in den Kreis der »Blauen Reiter« aufgenommen.
Gedenktafeln erinnern heute Spaziergänger östlich und westlich der Leopoldstraße an ehemalige Wohnorte bekannter, ja berühmter Persönlichkeiten. In der Schellingstraße gibt es eine besondere Anhäufung ehemaliger Stars: Franz Marc, Hendrik Ibsen oder Joachim Ringelnatz wohnten hier.
Aber zurück zu Thomas Mann, der das Leuchten für München »erfand«. Auch er, der leidenschaftliche Radfahrer, ist häufig umgezogen. Zunächst lebte er in Schwabing, wo seine Mutter Julia einen Salon pflegte. Bahnbrechend seine Adresse im Jahr 1900. Denn genau in der Feilitzschstraße (heute Nr. 32) hat der spätere Nobelpreisträger die »Buddenbrooks« vollendet. In einer engen Stube im dritten Stock. Mitten in Schwabing. Beinahe wäre er Paul Klees nächster Nachbar geworden.
Das Münchener Siegestor in schönstes Licht getaucht
Aber nur beinahe. Denn Klee zog erst ein paar Jahre später mit Frau und Sohn Felix in die Feilitzschstraße Nr. 3. Da war Thomas Mann schon wieder weg und mit Katia Pringsheim verheiratet.
Gerade einmal drei Kilometer Luftlinie entfernt hängen heute KleeGemälde in der »Städtischen Galerie im Lenbachhaus«. Die Werke Wassily Kandinskys natürlich in direkter Nachbarschaft. Das alles Dank Gabriele Münter. Die Malerin und Lebensgefährtin von Kandinsky schenkte der Galerie 1957 über 1000 Werke des »Blauen Reiter« und machte sie so zur weltweit größten Sammlung dieser avantgardistischen Künstlergruppe. Deren expressive Werke strahlen nach wie vor, während die Farben in großen Flächen zu explodieren scheinen.
Wie schon gesagt: München leuchtet. Das bestätigt auch der Deutsche Wetterdienst. Denn die Sonne strahlt hier statistisch 1689 Stunden im Jahr vom blau-weißen Himmel. Und da- mit liegt München mit Stuttgart ganz vorne in der Riege deutscher Großstädte. Zum Vergleich: Hamburg bringt es im Mittel gerade einmal auf 1499 Stunden.
Und wo viel Sonne ist, gibt es viel Reflexion. Wenn die Umgebung mitspielt. Und das tut sie in München. Je heller die Farbanstriche an Gebäuden desto mehr Reflexion, ergänzt der Meteorologe. Rund um die barocke Theatinerkirche herrschen Creme und gelbe Töne. Gegenüber erstrahlt die Residenz im hellen Ocker und stellenweise sanftem Grau. Gleich nebenan das Nationaltheater, dessen dreieckige Doppelspitze auffällig glänzt. Kein Wunder, denn einige der Mosaiksteine sind aus echtem Gold.
Ludwig I. war seiner Zeit voraus und öffnete das Stadtschloss für angemeldete Besucher, um ihnen königliches Wohnen nahezubringen. 1897 kam der erste Residenzführer hinzu, um Touristen durchs Labyrinth der Prunksäle zu lotsen. 1918 konnten allein 157 Räume besichtigt werden. Die museale Strapaze für heutige Touristen ist mit 130 Schauräumen nicht gerade geringer geworden. Auch wenn es überall Gold in rauen Mengen gibt.
Ein herausragendes und unbedingt sehenswertes Puzzle dabei ist das »Antiquarium«. Der Raum, welch Untertreibung, ist der größte und prächtigste Renaissancesaal nördlich der Alpen. Zunächst gedacht für die luxuriöse Unterbringung von antiken Skulpturen (16. Jh.) wurde die sehr lange Halle kurz darauf zu einem Festund Speisesaal plus Tonnengewölbe. Der Vorteil des Umbaus: überreiche Malereien, die faszinierend leuchten.
Wer noch mehr Glänzendes sehen möchte: bitteschön. Neben zahlreichen Prunksälen gibt es die repräsentativen Wohnräume von Ludwig I. und eine Silber- bzw. Schatzkammer. Die Sammlung ist eine der kostbarsten der Welt. Kronen, Prunkschwerter, Pokale und Kreuze gehören dazu. Selbstverständlich auch die bay- erischen Kroninsignien, die 1806 in Frankreich gefertigt worden sind. Inklusive des Rubinschmucks von Königin Therese. Jene Prinzessin, die gewiss auch als Ehefrau von Ludwig I. in die Geschichte eingegangen ist. Aber sie hat der Theresienwiese ihren Namen gegeben und ist damit weltweit untrennbar mit dem Oktoberfest verbunden.
München leuchtet tatsächlich. Und nicht nur an sonnigen Tagen. Nein. Jede Nacht werden allein mehr als 100 Bauwerke angestrahlt. Und es soll auch zukünftig weitergehen mit dem Leuchten.
Gegenwärtig werden an der Außenhülle der Allianz-Arena herkömmliche Leuchtstoffröhren gegen 380 000 LED’s ausgetauscht. Konnte die Arena bisher in Rot, Blau und Weiß leuchten, werden es zukünftig 16 Millionen Farben sein. Für dynamische Lichtanimationen, die dann den Münchener Norden erleuchten sollen.
Was wohl Thomas Mann dazu gesagt hätte?