Gerhard Schröder spendete 5000 Euro
Jamel: Lohmeyer-Rockfestival wurde zur Solidaritätsveranstaltung für die Gastgeber / Campino sang für »die auf der anderen Straßenseite«
Das jährliche Rockfestival in Jamel gestaltete sich am Wochenende zum Fest der Solidarität mit dem Künstlerehepaar Lohmeyer, das sich gegen die Naziszene des Ortes wehrt.
Mut und Zivilcourage benötigen Unterstützung. Was das heißt, hat zwei Tage lang die 9. Auflage des Festivals »Rock den Förster« auf dem Forsthof des Ehepaares Birgit und Horst Lohmeyer in Jamel gezeigt – jenes MiniDorf nahe Wismar, das seit über zwei Jahrzehnten von Bewohnern aus der rechten Szene dominiert wird und wo vor zwei Wochen ein Brandanschlag die Lohmeyer-Scheune bis auf die Grundmauern niederbrennen ließ. Als Überraschungsband rutschen am Samstagabend noch »Die Toten Hosen« ins Rock-Programm. Auf der gegenüberliegenden Seite des Festivalgeländes versammelten sich derweil rund 50 Neonazis.
Nach dem Ende des Festivals für Demokratie und Toleranz sieht man in erschöpfte, aber zufriedene Gesichter beim Künstlerpaar Lohmeyer. Als sich die Nachricht des überraschenden Festival-Headliners im Laufe des Samstagnachmittag herumgesprochen und die Düsseldorfer Rockband um Sänger Campino den Spontanauftritt in Jamel selbst im Internet gepostet hatte, setzte noch einmal ein Besucheransturm ein. Das führte dazu, dass am Samstagabend aus Sicherheitsgründen sogar der Einlass gestoppt werden musste, weil sich das Areal inzwischen mit 1000 Besuchern zum Bersten gefüllt hatte.
Campino nahm dann trotz lädierter Stimmbänder auf der Bühne kein Blatt vor den Mund. Seit den Gründungstagen seiner Band positioniert diese sich gegen rechten Spuk und Terror. Entsprechend erklangen mehrere typische Songs. Das Lied »Sascha«, bereits 1992 gegen den braunen Ungeist entstanden, widmete der Rocksänger speziell denen »mit der Hüpfburg auf der anderen Straßenseite«. Dort wohnt mit Sven Krüger eine der Leitfiguren der mecklenburgischen Neonaziszene. Auf dessen Grundstück trafen sich am Samstag Gesinnungsfreunde, um mit besagter Hüpfburg die Einschulung von zwei Dorfkindern zu zelebrieren. Eigens für die Aktualität der Ereignisse hat Campino den Songtext noch einmal abgewandelt; Hauptfigur Sascha zündet darin nun eine Scheune an. Solch lautstarke »Nazis raus«-Sprechchöre aus dem Publikum hat Jamel noch nicht zu hören bekommen. Auch beim Tote-Hosen-Klassiker »Willkommen in Deutschland«, ebenfalls aus dem Jahr 1992, gibt es ein textliches Update mit dem Hinweis auf die unsägliche Pegida-Bewegung.
Am zweiten Festivaltag wurden die Gastgeber des Festivals, die Schriftstellerin Birgit und der Musiker Horst Lohmeyer, von der Gewerkschaft IG Bau mit dem Georg-Leber-Preis für Zivilcourage ausgezeichnet. Die Ehrung übernahm der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft, Robert Feiger, in Anwesenheit von sechs Familienangehörigen des früheren SPDMinisters Leber. Feiger betonte höchsten Respekt vor dem Engagement und Mut der Lohmeyers, die den Rechten im Ort seit Jahren die Stirn bieten. Den Anschlag auf die Scheune nannte er einen Terrorakt, denn schnell hätte das Feuer auch auf das benachbarte Wohnhaus übergreifen können. Unter starkem Beifall kritisierte er angesichts der aktuellen fremdenfeindlichen und rassistischen Geschehnisse, dass der Staat mit unterschiedlicher Härte auf Gewalt von links und rechts reagiere. Bei Gewalt von rechts dürfe es null Toleranz geben, fügte der IG Bau-Chef hinzu.
Mit ihrer Arbeit lenkt das Künstlerehepaar Lohmeyer den Blick der Öffentlichkeit unverdrossen auf die braune Problematik. Jahrelang fühlte es sich dabei ziemlich allein gelassen gegenüber den Provokationen und Bedrohungen aus der neonazistischen Umgebung. Spätestens der ScheunenAnschlag hat Jamel zu einem bundesweit und sogar international unrühmlich bekannten Ort werden lassen. Hochrangige Politiker sind in diesen Tagen zu Gast, um die Lohmeyers zu unterstützen. Unter den Gästen des Jamel-Rocks am Wochenende waren auch Ministerpräsident Erwin Sellering und Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (beide SPD). Wie auch die Schweriner Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD) setzten sie sich für einen Neubau der abgebrannten Scheune ein und rührten die Werbetrommel für Geldspenden. Von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) gingen bereits 5000 Euro ein. Auf dem Festival kursierten ebenfalls die Spendendosen. Die Polizei bestätigte auf Nachfrage eine völlig friedliche Einsatzlage. Nirgends habe man einschreiten müssen.
Das Lied »Sascha« widmete Campino denen »mit der Hüpfburg auf der anderen Straßenseite«.