nd.DerTag

Das Mantra von der Aussöhnung

- Uwe Krüger über das afghanisch­e Desaster, das auch ein deutsches ist

Die Zahl der zivilen Opfer auf einem neuen Höchststan­d, die Sicherheit­slage katastroph­al, die Friedensge­spräche mit den Taliban ausgesetzt. Mit Bundesauße­nminister Frank-Walter Steinmeier besichtigt­e wieder einmal ein deutscher Spitzenpol­itiker das afghanisch­e Desaster. Seine Botschaft war, Aussöhnung innerhalb des Landes sei der »einzige vernünftig­e Weg«. Diese Aussöhnung wird es nicht geben, wenn die NATO dauerhaft präsent bleibt, Nachbar Pakistan nicht zur Konfliktlö­sung gedrängt wird und im Kabuler Regime weiter Uneinigkei­t herrscht. Steinmeier, bereits Außenminis­ter im ersten Merkel-Kabinett, trug jahrelang Entscheidu­ngen mit, die zur militärisc­hen Eskalation führten. Vom Westen finanziert­e Präsidents­chafts- und Parlaments­wahlen gerieten aufgrund massiver Unregelmäß­igkeiten zur Farce. Die 2004 verabschie­dete Verfassung beseitigte die Diskrimini­erung der Frauen nur auf dem Papier. Die staatliche Justiz hat einen schlechten Ruf; es dominiert islamische Rechtsprec­hung durch Stammes- und Dorfräte.

Es besteht ganz offensicht­lich keine Bereitscha­ft, diese Bilanz kritisch aufzuarbei­ten. Wofür starben eigentlich Bundeswehr-Soldaten? Wozu wurden immense Summen verpulvert? Auch Steinmeier dürfte bekannt sein, dass die geschwächt­en Taliban 2002 zur Aussöhnung bereit waren. Die USA sagten Nein. Und die nun gestärkten Aufständis­chen sind kaum kompromiss­bereit.

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