Guatemalas Präsident in Bedrängnis
Einflussreiche Gruppen wenden sich wegen Korruption von Otto Pérez Molina ab
Es wird eng für Otto Pérez Molina: Am Samstag empfahl eine Parlamentskommission den Abgeordneten, die Immunität des Präsidenten Guatemalas aufzuheben.
»Neues Guatemala« steht auf dem Pappschildern, die ein Pärchen vor dem Präsidentenpalast am Samstagnachmittag schwenkte. »Fuera« skandierten da die etwa 4000 Menschen, die auch diesen Samstag zum Amtssitz von Präsident Otto Pérez Molina gezogen waren, um gegen seine korrupte Regierung zu protestieren. Plakate, die ihn und andere Politiker als Vampire zeigen, die den guatemaltekischen Staat aussaugen, waren auch zu sehen.
Mit der Amtszeit von Pérez Molina könnte es bald vorbei sein, so die Botschaft eines gegen 16 Uhr vom Kongress kommenden Demonstrationszugs. Die Kommission des Parlaments wird den Abgeordneten empfehlen, die Immunität des 64-jährigen Präsidenten aufzuheben, heißt es und die Nachricht wird wie ein Lauffeuer über die Platz vor dem Präsidentenpalast getragen.
»Am Vormittag haben die Experten der CICIG und der Staatsanwalt ihre Statements gehalten, Beweise vorgelegt und auch Aufnahmen von Telefongesprächen laufen lassen. Danach gab es nur wenig Zweifel«, erklärt Michael Mörth. Der in Guatemala lebende deutsche Jurist war dabei als der Anwalt des Präsidenten, pikanterweise derselbe der vor zwei Jahren Ex-Diktator Efraín Ríos Montt im Völkermordprozess vertrat, mit Formalien kam, um den Ex-General zu verteidigen.
Die Beweise gegen Pérez Molina, die die Ermittler der UN-Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) und ihre Kollegen von der Staatsanwaltschaft zusammengetragen haben, scheinen erdrückend zu sein. Demnach soll der Präsident der Drahtzieher eines Korruptionsnetzwerks gewesen sein, welches dafür sorgte, dass Güter in mehrstelligen Millionenbereich am Zoll vorbei ins Land kamen und obendrein auch die öffentlichen Kassen für Gesundheit und Bildung erleichtert wurden. Vizepräsidentin Roxana Baldetti sitzt wegen dieser Anschuldigungen bereits in Untersuchungshaft, fünf weitere Minister, wovon mindestens zwei sich ins Ausland abgesetzt haben, sind zurückgetreten.
Doch das ist für Otto Pérez Molina keine Option. Der Staatschef will bis zum 15. Januar, dem offiziellen Ende seiner Amtszeit regieren, obwohl ihn »Guatemala weder will noch braucht«, wie es auf den Transparenten heißt, die vor seinem Regie- rungssitz am Samstag wieder geschwenkt wurden.
Seit Wochen halten die Proteste gegen Pérez Molinia an, und auffällig ist, wie viele junge Guatemalteken an den Protesten teilnehmen und ihr »Ya Basta« (Es reicht) rufen. »Der Unmut hat sich angehäuft«, ist sich Erick Spiegeler sicher. Der Anwalt ist überzeugt, dass die Korruption in Guatemala alle Sphären durchdrungen hat und dass die Wahlen vom kommenden Sonntag daran wenig ändern werden. Wenn sie denn über- haupt stattfinden, denn viele Transparente vor dem Präsidentenpalast tragen Schriftzüge wie »Wahlen unter diesen Bedingungen: nein«. Die oberste Wahlbehörde hat schon vor Protesten am Wahltag gewarnt. »Urnen könnten in Flammen aufgehen«, glaubt Claudia Samayoa von der Menschenrechtsorganisation Udefegua.
Am Dienstag könnten die Abgeordneten einen Termin für die Abstimmung über die Aufhebung der Immunität festlegen oder aber direkt abstimmen. Das könnte die aufgewühlte Öffentlichkeit etwas beruhigen, hofft Samayoa: »In Guatemala ist Gewalt zur Lösung von Problemen weit verbreitet und massive Wahlproteste sind nicht auszuschließen.« Angesichts von bis zu 2000 Kandidaten, gegen die wegen Korruption ermitteln wird, sind weitere Proteste nötig, um endlich die seit 1996, dem Ende des Bürgerkriegs, ausstehenden Strukturreformen einzuleiten – darunter auch eine Überarbeitung der Wahlgesetze.