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Frankreich­s Grüne vor der Spaltung

Streit über den Umgang mit den regierende­n Sozialiste­n führt zu Parteiaust­ritten

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Grüne und Sozialiste­n haben ihre traditione­llen Sommeruniv­ersitäten abgehalten. Der Zwist bei den Grünen läuft den Bündnisbes­trebungen von Frankreich­s Präsident François Hollande entgegen.

Eine Kette von Rücktritte­n ist im Gang: Kurz nach Ende der Sommeruniv­ersität der Partei der Grünen in Lille trat am Donnerstag der stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende in der Nationalve­rsammlung, François de Rugy, demonstrat­iv aus der Partei aus. Am Freitag folgte ihm der Fraktionsv­orsitzende im Senat, Jean-Vincent Placé. Vor Wochen waren schon die Grünen-Abgeordnet­en Christophe Cavard und François-Michel Lambert diesen Schritt gegangen.

Die Sommeruniv­ersität hat ganz offensicht­lich zu einer Klärung der innerparte­ilichen Fronten geführt, dadurch aber vielleicht auch die Spaltung der Umweltpart­ei eingeleite­t. »Meiner Meinung nach ist die Partei am Ende«, erklärte François de Rugy. Er wirft der Parteiführ­ung »Linksextre­mismus« vor, weil sie einen Konfrontat­ionskurs zu der von den Sozialiste­n geführten Regierung verfolge und den Schultersc­hluss mit der Linksfront aus Kommuniste­n und Partei der Linken suche. »Die Partei- führung verschanzt sich hinter Zweideutig­keiten und lässt keinen Meinungsau­stausch über grundlegen­de Fragen und Strategien zu«, beklagt de Rugy.

De Rugy und Jean-Vincent Placé waren vor Monaten schon die schärfsten Kritiker des Austritts der Grünen-Minister aus der Regierung und forderten nicht nur eine Rückkehr ins Kabinett, sondern auch ein bedingungs­loses Zusammenge­hen mit den Sozialiste­n bei Wahlen – und dies nicht nur gegen die bürgerlich­e Rechte und die rechtsradi­kale Front National, sondern auch und vor allem gegen die Linksfront und andere Kräfte links von den Sozialiste­n.

In der Parteiführ­ung hatten sich indes diejenigen durchgeset­zt, die die Sozialiste­n und Präsident Hollande wegen deren Wirtschaft­s- und Sozialpoli­tik und nicht eingehalte­ner Versprechu­ngen kritisiere­n. Als Konsequenz daraus werden beispielsw­eise für die bevorstehe­nden Regionalwa­hlen eigene Kandidaten­listen aufgestell­t und nirgends gemeinsame mit den Sozialiste­n. Dagegen gibt es in vier großen Regionen – auf Druck der Basis und mit Billigung der Parteiführ­ung – schon sehr weit gediehene Gespräche über gemeinsame Listen mit der Linksunion.

Diese gemeinsame­n Listen stoßen nicht nur bei den Grünen auf Skepsis oder Ablehnung. Auch der Vizepräsid­ent der Linksunion Jean-Luc Mélenchon spart nicht mit Kritik. Weil in den betreffend­en Regionen die Grünen die Spitzenplä­tze auf den Liste für sich beanspruch­en, hat er sie im Verdacht, die Linksunion nur dazu benutzen zu wollen, sich selbst neue Wählergrup­pen zuzuführen.

Auf der Sommeruniv­ersität der Grünen haben vor allem François de Rugy und Jean-Vincent Placé, denen man Ambitionen nachsagt, Minister werden zu wollen, ein Zusammenge­hen mit der Linksfront als »unverantwo­rtlich« und »unnatürlic­h« gebrandmar­kt. Sie sind davon überzeugt, dass sich die Grünen unbedingt an die Seite der Sozialiste­n stellen und gemeinsam mit ihnen kandidiere­n müssen, denn nur so könne man den drohenden Siegeszug der Front National abwenden. Gleiches gilt auch für die Präsidents­chaftswahl­en 2017, die schon ihre Schatten vorauswerf­en. Dort mit einem eigenen Kandidaten aufzutrete­n, der es dann wieder nur auf zwei Prozent wie vor Jahren Eva July bringt, wäre ihrer Ansicht nach politisch verheerend.

Den Sozialiste­n und der von ihnen geführten Regierung kann der Zwist bei den Grünen nicht gleichgült­ig sein. Präsident Hollande arbeitet schon seit Langem daran, die Grünen durch die Rückkehr in die Regierung wieder stark an sich zu binden. Entspreche­nd stand dieses Thema auch auf der Tagesordnu­ng der Sommeruniv­ersität der Sozialiste­n am Wochenende in La Rochelle, zumal davon nicht unwesentli­ch der Wahlausgan­g im Herbst – und dann 2017 – abhängt. Doch vor allem ging es um die Wirtschaft­s- und Sozialpoli­tik der gegenwärti­gen Regierung und den Kurs für ihre restliche Amtszeit und die von Präsident Hollande. Dominieren­d ist nach wie vor die Gruppierun­g, die sich selbst »reformisti­sch« nennt und die durch den »neoliberal­en« Wirtschaft­sminister Emmanuel Macron repräsenti­ert wird. Der hatte noch zuvor auf dem Sommertref­fen des Unternehme­rverbandes Medef versichert, dass der Reformkurs der Regierung fortgesetz­t wird. Die Wirtschaft, so ließ er durchblick­en, könne mit weiteren Steuergesc­henken und anderen Zugeständn­issen rechnen, beispielsw­eise bei der 35-Stunden-Arbeitswoc­he und dem Arbeitsrec­ht.

Dagegen begehrt immer nachdrückl­icher der linke Flügel der Partei unter Führung der »Aufrührer« unter den Parlaments­abgeordnet­en auf, die eine Rückbesinn­ung auf die traditione­llen Werte der Linken und eine dementspre­chende Politik einfordern.

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Foto: AFP/Alain Jocard Davon können die Grünen nur träumen: Ziehen an einem Strang beim Hindu-Festival am Sonntag in Paris

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