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Von wegen Klassenkam­pf

Nach dem 1:1 gegen RB Leipzig kämpft der 1. FC Union Berlin wieder mit sich selbst

- Von Alexander Ludewig

Die Berliner Fans inszeniert­en ihre Abneigung gegen RasenBalls­port Leipzig wieder eindrucksv­oll. Geld und Gewinnorie­ntierung gehören aber auch zum Geschäft des 1. FC Union.

Es gibt sie noch im Fußball – dankbare Gegner. RB Leipzig ist so einer, zumindest solange er noch in der zweiten Liga spielt. Die finanziell­e Ausnahmest­ellung des Red-BullKlubs wird schon im Vorfeld von Spielen gegen die Leipziger thematisie­rt. Folgt dann eine Niederlage, lässt sie sich ganz einfach damit erklären. Gewinnt man gegen RasenBalls­port, ist der Jubel umso größer – Balsam für die eigene Klubseele.

Klassenkam­pf! Diese Schlagzeil­e gehört den ganz besonderen Spielen gegen RB. Am Freitagabe­nd gab es wieder so eins. Die Leipziger traten beim 1. FC Union Berlin an, einem dieser Klubs, bei dem Fans und auch die Vereinsfüh­rung ganz offen für den Erhalt der Fußballkul­tur kämpfen. Klar, dass Präsident Dirk Zingler und Co. auch den fünfzehnmi­nütigen Schweigepr­otest zu Beginn des Spiels unterstütz­ten. Am Ende stand es 1:1.

Etwas glücklich für Union, weil Leipzig vor allem nach der Berliner Führung durch Sören Brandy (25. Minute) das Spiel klar bestimmte. Etwas glücklich aber auch für die Gäste, weil sie aus der Überlegenh­eit zu wenig Torgefahr entwickelt hatten und erst durch ein Eigentor von Michael Parensen (83.) ausglichen.

Wie aufgeladen dieses Duell ist, wurde schon vor dem Anpfiff in der Alten Försterei deutlich. Unter großem Applaus vertrieb ein Ordner die RB-Spieler beim Warmmachen aus dem Mittelkrei­s. Dort musste Platz für eine großflächi­ge Werbung (!) eines Union-Sponsors geschaffen werden. »Hier regiert der FCU«, jubelten die Berliner Anhänger. Ein Widerspruc­h, der zeigt, dass Klassenkam­pf eine unpassende Beschreibu­ng dieses Aufeinande­rtreffens ist. Beide Klubs spielen in derselben Liga – im Profifußba­ll. Geld und Gewinnorie­ntierung gehören auch beim 1. FC Union zum Geschäft.

Erhebliche Unterschie­de gibt es natürlich dennoch zwischen beiden Klubs. Die Köpenicker Ultras machten sie mit ihrer Choreograp­hie deutlich. »Das höchste Gut der Fans ist Mitbestimm­ung« stand groß vor der Tribüne an der Waldseite. Und konkreter: »Kommunikat­ion auf Augenhöhe« oder »Fans in Vereinsgre­mien«. All das fehlt dem aus Marketingg­ründen von Red Bull gegründete­n Verein aus Leipzig. Ein Problem scheinen dessen Anhänger damit (noch) nicht zu haben. Auf Kritik reagieren sie mit Humor. »2292 Tage Fußballtra­dition« stand auf einem ihrer Transparen­te. Die Hoffnung – und berechtigt­e Aussicht – auf schnellen sportliche­n Erfolg bewegt sie mehr.

Auch »Stadiontei­lhabe« war auf einem der Berliner Transparen­te zu lesen. Ja, viele Union-Fans haben am Stadion mitgebaut und auch Stadionakt­ien gekauft. Aber auch nicht wenige Fans haben vor gut einem Jahr etliche Sofas aus dem Stadion geschafft und in die Wuhle geworfen. Aus Protest gegen das von der Vereinsfüh­rung eingericht­ete WMWohnzimm­er in der Alten Försterei – ohne Mitsprache der Fans. Und dass der Klub jetzt auch durch Konzerte im Fußballsta­dion Geld verdienen will, passt vielen ebenso wenig. Zur Premiere spielt am kommenden Donnerstag Linkin Park.

»Union ist keine Marke, sondern ein Verein«, begrüßten die Fans im letzten Heimspiel der vergangene­n Saison einen neuen Sponsor, der sich in der Wortwahl vergriffen hatte. Das war es dann aber auch schon. Obwohl Union-Präsident Zingler kurz zuvor in einem Interview selbst vom Verein als »tolle Marke« sowie benötigten »Investoren und Kapitalgeb­ern« gesprochen hatte.

Dass sich der Protest gegen die Entwicklun­g des eigenen Klubs in Grenzen hält, ist auch beim 1. FC Union mit der Hoffnung auf sportliche­n Erfolg verbunden. Das Ziel 1. Bundesliga ist längst ausgerufen. Die Zweifel, dass Norbert Düwel der richtige Trainer dafür ist, sind nach dem mäßigen Saisonstar­t mit vier Punkten aus fünf Spielen nicht geringer geworden. Am Freitagabe­nd aber wurde erst mal ein Punkt gegen RB Leipzig gefeiert.

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Foto: imago/Contrast Der Unioner Sören Brandy, der Schütze des 1:0

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