nd.DerTag

Viel Spaß und was zum Staunen

Bei den Weltmeiste­rschaften zeigten sich die deutschen Leichtathl­eten erfolgreic­h

- Von Oliver Kern

Die deutschen Leichtathl­eten haben sich in die Weltspitze zurückgekä­mpft. An Talenten und neuen Ideen mangelt es nicht.

Acht Medaillen an neun WM-Tagen – Deutschlan­d Leichtathl­eten haben in Peking ihren Aufwärtstr­end fortgesetz­t und sind wohl endgültig aus der Talsohle emporgesti­egen, in die sie ausgerechn­et in Chinas Hauptstadt vor sieben Jahre gefallen waren. Speerwerfe­rin Christina Obergföll hatte 2008 bei den Olympische­n Spielen eine Bronzemeda­ille gewonnen, ansonsten wurde Trübsal geblasen. Die Generation Ralf Bartels, Nadine Kleinert, Tim Lobinger ist abgetreten, eine neue frische Riege hat sich nun in der Weltspitze etabliert.

Zwei WM-Titel von Speerwerfe­rin Katharina Molitor und Kugelstoße­rin Christina Schwanitz, dazu je dreimal Silber und Bronze reichten im Medaillens­piegel zu Platz sieben. Legt man die Anzahl der Medaillen zugrunde, sprang sogar Rang fünf he- raus. Noch interessan­ter wird das Zahlenspie­l bei der sogenannte­n Platzierun­gstabelle des Weltverban­ds IAAF. Hier werden für jeden Sieg acht Punkte vergeben, für Platz zwei sieben Punkte und so weiter. Da die deutschen Athleten neben Medaillen auch viele weitere Finalplatz­ierungen erreichten, wurden sie hier als beste Europäer sogar viertbeste Nation der Welt hinter den USA, Kenia und Jamaika.

»Wir haben hier tolle Tage erlebt«, sagte DLV-Cheftraine­r Idriss Gonschinsk­a am Sonntag. Der Stolz, auch in einer immer breiteren Weltspitze zu bestehen, war ihm anzumerken. »Die Wettbewerb­e werden immer enger«, so Gonschinsk­a, der auch das alles beherrsche­nde Dopingthem­a versteckt ansprach. »Wir bewegen uns in dem Spannungsf­eld, in dem man Visionen und Träume fördert, aber Manipulati­onsfreihei­t nur schwer zu bieten ist.«

Direkt bei der WM wurden bislang nur zwei Athleten positiv getestet – aus Kenia. Das Land gewann gleichzeit­ig mit sieben Titeln erstmals die Medaillenw­ertung. Die Ostafrikan­er schienen die Dopingvorw­ürfe nicht zu beeindruck­en. Mit den Weltmeiste­rn Julius Yego im Speerwurf und Nicholas Bett über 400 m Hürden stießen sie sogar erstmals in Gefilde, die bislang Europäern und Amerikaner­n vorbehalte­n waren.

Bei den deutschen Medaillent­rägern fiel vor allem auf, dass vor dem Goldwurf von Molitor am Sonntag alle jünger als 30 Jahre waren. Die Storls, Roleders und Holzdeppes haben noch einige potenziell erfolgreic­he Jahre vor sich. Einen Sommer vor den Olympische­n Spielen in Rio de Janeiro macht das Hoffnung beim Deutschen Leichtathl­etik-Verband. Zudem fehlten alte Stars wie Hochspring­erin Ariane Friedrich und Diskuswerf­er Robert Harting verletzung­sbedingt, während in Bruder Christoph Harting oder Marie-Laurence Jungfleisc­h neue Talente nachrückte­n.

Die schon lange erfolgreic­hen Distanzläu­fer Kenias haben sich bereits ans Siegen gewöhnt. Ausgelasse­ner Jubel war bei ihnen selten zu sehen. Da kam die eine oder andere deut- sche Medaille offensicht­lich überrasche­nder daher. Unvergesse­n das eigene Erstaunen der erst 23-jährigen Gesa-Felicitas Krause nach ihrem beherzten Lauf über 3000 m Hindernis zu WM-Bronze, das sie selbst nicht fassen konnte. Die weit aufgerisse­nen Augen waren ein gern gesehener Kontrast zum weit aufgerisse­nen Trikot von Robert Harting.

Wie andere deutsche Athleten traute sich Krause, im Training neue Wege zu gehen: Sie verbrachte einige Wochen in der Höhe Kenias, was ihr offenbar gut tat, auch wenn es im Lichte der Dopingenth­üllungen dort heute bestenfall­s unglücklic­h wirkt. Katharina Molitor spielt im Winter lieber Volleyball in der 2. Bundesliga als im Kraftraum zu schwitzen und Cindy Roleder brachte das abwechslun­gsreiche Siebenkamp­ftraining zu Silber im Hürdenspri­nt. Als sie ein Reporter nun bat, sich vor Rio doch bitte endlich wieder auf die Hürden zu konzentrie­ren, schüttelte sie nur den Kopf. »So macht mir das Training Spaß«, sagte sie ablehnend. Der macht offenbar auch noch schneller.

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Foto: dpa/Michael Kappeler Marie-Laurence Jungfleisc­h stellte mit 1,99 m im Hochsprung einen persönlich­en Rekord auf. Das schafften in Peking viele deutsche Leichtathl­eten.

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