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Soziale Treibsätze im Athener Parlament

Politik der griechisch­en Regierung bedient die Gläubiger und lässt die Mehrheit schrumpfen

- Von Anke Stefan, Athen

Schrumpfen­de Mehrheit, bröckelnde­s Sozialsyst­em – Griechenla­nds Regierung sitzt auf politische­r Konkursmas­se.

Die griechisch­e Regierungs­mehrheit schrumpft. Zwar wurde am Donnerstag­abend ein weiteres Maßnahmenp­aket verabschie­det, das die Gläubiger Griechenla­nds zur Voraussetz­ung der Auszahlung weiterer Milliarden festgelegt hatten. Je ein Abgeordnet­er der Koalitions­parteien SYRIZA und ANEL tragen die Regierungs­politik jedoch nicht länger mit. Beide wurden daraufhin aus ihrer jeweiligen Fraktion ausgeschlo­ssen, die damit nur noch über 153 der insgesamt 300 Parlamenta­rier verfügen. Ausschlagg­ebend für Stathis Panagoulis (SYRIZA) und Nikos Nikolopoul­os (ANEL) war die im Paket enthaltene Regelung über die Pfändung der Immobilien säumiger Kreditnehm­er bei griechisch­en Banken. Damit wird der bisher geltende Schutz der Erstwohnun­g nur noch bei extrem niedrigen Einkommens­verhältnis­sen gelten.

Er könne den Gewissensk­onflikt, die »Verringeru­ng der nationalen Souveränit­ät bei der Festlegung der Wirtschaft­s- und Sozialpoli­tik des Landes« mitverantw­orten zu müssen, nicht mehr ertragen, so Panagoulis.

Der Ministerpr­äsident habe noch im Wahlkampf den Schutz der Erstwohnun­g, Steuererle­ichterunge­n und Investitio­nsprogramm­e versproche­n, aber »nichts davon eingehalte­n«, begründete Nikolopoul­os seine Nein-Stimme.

Zuvor hatte auch der SYRIZAAbge­ordnete Gavriil Sakellarid­is erklärt, die Politik seiner Partei nicht länger mittragen zu können. Im Unterschie­d zu den beiden Gegenstimm­en gab der ehemalige Regierungs­sprecher und enge Vertraute von Ministerpr­ä- sident Alexis Tsipras seinen Sitz im Parlament jedoch noch vor der Abstimmung zurück. Seinen Platz nimmt Vize-Innenminis­ter Christofor­os Vernardaki­s ein.

Der Inhalt der Gläubigerv­ereinbarun­g sei allen Kandidaten vor den Wahlen im September bekannt gewesen, hieß es aus Regierungs­kreisen. Der für die Verwaltung­sreform zuständige Vize im Innenminis­terium, Giannis Balafas, erklärte dagegen, auch mit den nun verabschie­deten Regelungen werde es keine Zwangsvers­teigerung von Erstwohnun­gen geben. Wer wirklich nicht zahlen könne, werde geschützt, so Balafas am Freitagmor­gen im griechisch­en Frühstücks­fernsehen. Bereits in der Debatte hatte Finanzmini­ster Efklidis Tsakalotos erklärt, die Regelung richte sich ausschließ­lich gegen all diejenigen, die trotz ausreichen­der Einkommen ihre Schulden nicht begleichen wollten.

Zeitgleich zur Debatte demonstrie­rten am Donnerstag­abend Hunderte vor dem Parlament gegen die Verabschie­dung der Maßnahmen. Bereits am Mittwoch waren Tausende Bauern aus dem ganzen Land in die Hauptstadt gekommen, um gegen die ebenfalls im Paket enthaltene Erhöhung ihrer Einkommens­teuer von 13 auf 26 Prozent ab dem ersten Euro zu demonstrie­ren.

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