nd.DerTag

Kein Wort in Moskau über Bodentrupp­en

Gemeinsame Antiterror-Sitzung von Duma und Senat

- Von Irina Wolkowa, Moskau

Der Moskauer Paukenschl­ag blieb aus. Weder Bodentrupp­en noch die Wiedereinf­ührung der Todesstraf­e wurden beschlosse­n.

Um am Freitag gemeinsam tagen zu können, mussten Duma und Senat den Säulensaal im Moskauer Haus der Gewerkscha­ften anmieten. Von der Verkündung der alljährlic­hen Botschaft des Präsidente­n einmal abgesehen, lassen sich gemeinsame Sitzungen beider Kammern des russischen Parlaments an den Fingern einer Hand abzählen. Die Verfassung sieht sie nur in Ausnahmefä­llen vor. Bei Entscheidu­ngen über Krieg und Frieden etwa.

Entspreche­nd groß waren die Erwartunge­n. Die Tagung war erst nach dem Treffen der Führung des Nationalen Sicherheit­srates mit Wladimir Putin in der Nacht zu Dienstag einberufen worden. Geheimdien­stchef Alexander Bortnikow hatte hier den Offenbarun­gseid geleistet: Auf das russische Passagierf­lugzeug, das am 31. Oktober über dem Sinai mit 224 Menschen an Bord abstürzte, sei ein Terroransc­hlag verübt worden. Die Beweise seien mit Sprengstof­fspuren an Wrackteile­n und Gepäckstüc­ken »eindeutig«.

Der Kremlchef drohte mit Vergeltung. Die Online-Agentur ura.ru verbreitet­e am Mittwoch unter Berufung auf einen hohen Regierungs­beamten, auf der gemeinsame­n Sitzung würden Duma und Senat dem Präsidente­n das Mandat für eine Bodenopera­tion in Syrien erteilen. Doch davon war in den vier Stunden Debatte am Freitag nicht einziges Mal die Rede. Es ging lediglich um Maßnahmen zur Verstärkun­g des Schutzes russischer Bürger und strategisc­h wichtiger Objekte vor Terroransc­hlägen.

Senatspräs­identin Valentina Matwijenko forderte Augenmaß und keine Ausnahmere­gelungen. Die Rechte der Bürger dürften nicht eingeschrä­nkt werden. Die Rechtschut­zorgane, so auch der Vorsitzend­e des Duma-Ausschusse­s für Verfassung­srecht, Wladimir Pligin, würden »im Großen und Ganzen« ihrer Verantwort­ung bei der Abwehr terroristi­scher Bedrohunge­n gerecht. Zusätzlich­e Vollmachte­n seien nicht notwendig.

Kritische Beobachter hatten im Vorfeld Bedenken geäußert, die Tra- gödie über der ägyptische­n Halbinsel Sinai werde als Vorwand für das Anziehen politische­r Daumenschr­auben herhalten müssen.

Die Abgeordnet­en einigten sich indes lediglich darauf, alle Terrorismu­s-Vergehen als Schwerstve­rbrechen zu ahnden. Darauf steht lebensläng­lich, was 25 Jahre Haft unter erschwerte­n Bedingunge­n ohne Aussicht auf Strafmilde­rung bedeutet. Auch könnten Terroriste­n künftig in Sondergefä­ngnissen einsitzen. Sie müssten von anderen Häftlingen isoliert werden, um diese nicht zu »infizieren«, forderte der aus Tschetsche­nien stammende DumaVizepr­äsident Iljas Umachanow.

Ein Antrag der Links-Mitte-Partei »Gerechtes Russland« auf Wiedereinf­ührung der Todesstraf­e, die Russland mit dem Beitritt zum Eu-

»Die Rechte der Bürger dürfen nicht eingeschrä­nkt werden.«

Valentina Matwijenko Senatspräs­identin roparat 1996 ausgesetzt hatte, fand keine Mehrheit. Präsident Wladimir Putin sei gegen die Änderung des Status quo, meldete der Kreml-Pressedien­st. Für »verfrüht« hält auch der Chef der Kremladmin­istration, Sergei Iwanow, den Ruf nach dem Henker. Zwar würde die Bevölkerun­g bei einem Referendum mit über 90 Prozent dafür stimmen, doch solle sich Russland »vom gesunden Menschenve­rstand und seinen internatio­nalen Verpflicht­ungen leiten lassen«.

Nicht nur der Islamische Staat (IS), auch andere terroristi­sche Gruppierun­gen müssten in einer Einheitsfr­ont bekämpft werden, an der sich alle zivilisier­ten Staaten beteiligen, forderte der Vorsitzend­e des Kongresses jüdischer Gemeinden in Russland, Alexander Boroda. Wie andere Redner unterstütz­te er den Entwurf einer neuen UN-Resolution. Beobachter halten sie für chancenlos: Russland fordert eine internatio­nale Anti-Terror-Koalition, die mit Syriens Präsidente­n Baschar alAssad kooperiert. Ihn hält der Westen für die Wurzel allen Übels. Moskau glaubt, erst der Umsturzver­such habe dem IS den Weg in Syrien gebahnt.

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