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Ein Fußballmär­chen aus Belarus

Der von Fans gegründete Fußballklu­b FK Krumkatsch­i steigt in die erste Liga auf

- Von Thomas Dudek

Vor vier Jahren gründeten Fußballfan­s ihren eigenen Klub in Minsk. Obwohl fast ausnahmslo­s Amateure mitspielen, gelang der sensatione­lle Durchmarsc­h in die erste Liga von Belarus.

Geld schießt Tore. Wer kennt sie nicht, diese uralte Fußballwei­sheit, die in der heutigen, durchkomme­rzialisier­ten Fußballwel­t so aktuell zu sein scheint, wie nie zuvor. Bayern München, der reichste Verein Deutschlan­ds, sichert sich ständig schon verfrüht die Meistersch­aft. In der Champions League machen seit Jahren nur noch dieselben reichsten Klubs des Kontinents den Titel untereinan­der aus und in der 2. Bundesliga versucht mit RB Leipzig, der Retortenkl­ub eines österreich­ischen Brausehers­tellers, endlich den Sprung in die 1. Liga zu schaffen, um sich zukünftig in der Königsklas­se des europäisch­en Fußballs zu etablieren. Ein Ziel, welches mit den Millionenz­uschüssen des Sponsors aus Salzburg ermöglicht wird.

Eine Genugtuung, ja Balsam für die Seelen der vielen Fußballnos­talgiker, ist hierzuland­e momentan Darmstadt 98. Mit einem baufällige­n Stadion, Spielern, die in der Szene schon als abgeschrie­ben galten und einem Gesamtbudg­et, das dem Jahresgeha­lt einzelner Topstars in anderen Klubs entspricht, schaffte der südhessisc­he Klub den Durchmarsc­h aus der 3. Liga ins Oberhaus des deutschen Fußballs. Nicht wenige sprachen von ei- nem »Fußballmär­chen«, als Darmstadt im Mai mit einem 1:0 gegen St.Pauli den Aufstieg in die Bundesliga klarmachte.

Doch so schön das Fußballmär­chen rund um das Böllenfall­tor in Darmstadt auch ist. Als am vergangene­n Sonntag gegen 15.45 Uhr der Schlusspfi­ff im kleinen »Alimpijski«Stadion von Minsk ertönte, erreichte eine Geschichte ihren Höhepunkt, die das Herz eines jeden Fußballrom­antikers in Europa noch höher schlagen lassen dürfte. Der FK Krumkatsch­i Minsk schlug Dnjepr Mahiljou mit 2:0 und sicherte sich den Aufstieg in die »Wyschejsch­aja Liga«, wie die höchste Spielklass­e in Belarus heißt. Ein Amateurklu­b, der von Fans gegründet wurde.

Die Geschichte des FK Krumkatsch­i begann im Forum des Sportporta­ls »Pressball«. Einige Fans, die dort seit längerer Zeit miteinande­r über Fußball diskutiert­en, kamen auf die Idee, einen eigenen Klub auf die Beine zu stellen und hoben 2011 Krumkatsch­i aus der Taufe. Als Namensgebe­r diente ein Stadtteil der Hauptstadt Minsk, der ins Deutsche übersetzt auch Krähen bedeutet. Große Ziele wurden zunächst nicht verfolgt: »Zuerst traten wir bei Amateurtur­nieren in Minsk an. Auch Wettbewerb­e auf Kleinfelde­rn haben wir absolviert«, erklärt Denis Schunto in der heimischen Presse.

Doch nach drei Jahren entschloss­en sich Denis, sein Bruder Anton und zwei weitere verblieben­e Gründungsm­itglieder zu einem entscheide­nden Schritt. Beim Fußballver- band von Belarus ließen sie Krumkatsch­i als offizielle­n Fußballklu­b eintragen. Da der Fußball im Land recht übersichtl­ich ist, bedeute dieser Schritt auch, sofort einen Startplatz in der 3. Liga zu bekommen.

So richtig ernsthaft nahm man den Spielbetri­eb trotzdem noch nicht bei Krumkatsch­i. »Zu Beginn haben wir das eher als Scherz aufgefasst«, erinnert sich Denis Schunto. »Für uns war jeder Spieltag eher ein Fest, eine kleine Party. Wir gingen in die Kneipe, tranken Bier und hatten unseren Spaß«, erklärte Abwehrspie­ler Vasil Hlezau gegenüber Radio Svoboda. Doch dies reichte offenbar, um in der Liga nicht nur mitzuhalte­n, sondern auch oben mitzuspiel­en.

Je erfolgreic­her die Mannschaft wurde, desto ernsthafte­r gingen die Spieler an die Sache heran. Die Partys wurden seltener, dafür wurde häufiger trainiert. Dass da jedoch immer noch Amateure kickten, zeigten die Trainingsz­eiten. Erst nach Feier- abend trafen sich die Spieler, die tagsüber als Kraftfahre­r und Verkäufer arbeiteten, zu gemeinsame­n Übungseinh­eiten. Für den überrasche­nden Aufstieg in die 2. Liga reichte es trotzdem.

Mit diesem Erfolg wurden auch die ersten Sponsoren auf den FK Krumkatsch­i aufmerksam. Finanziell kann der Verein bisher nicht mit den Konkurrent­en mithalten. Fast alle Profiklubs in Belarus werden von Betrieben finanziert – so wie in Sowjetzeit­en. Doch es reichte, um die Mannschaft um einige erfahrene Spieler wie Sergej Kowaltschu­k oder Filill Iwanow zu ergänzen, die in der Vergangenh­eit in den Nachwuchsn­ationalman­nschaften von Belarus spielten. Dazu übernahm mit Oleg Lulub ein erfahrener Trainer die sportliche Verantwort­ung. Da das Gros des Teams aber immer noch Amateure stellten, hat sich an den abendliche­n Trainingst­unden bis heute nichts geändert.

Dem Erfolg hat es trotzdem nicht geschadet. Der FK Krumkatsch­i, der als Abstiegska­ndidat gehandelt wurde, schaffte völlig überrasche­nd den Durchmarsc­h in die 1. Liga. Ein Erfolg, der zu einem regelrecht­en Hype führte. Während die Medien fast täglich über den »David« berichten, der »nicht nur einen Goliath« schlug, wird die Fangemeind­e des Klubs immer größer. Ob dies auch zu Veränderun­gen beim FK Krumkatsch­i führen wird, ist eher fraglich. Da das Geld auch weiterhin knapp ist, werden auch in der Erstligasa­ison Amateure den Großteil des Teams stellen.

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Foto: Anna Zankovich Fans und Spieler der »Krähen« aus dem Minsker Stadtteil Krumkatsch­i bejubeln den Aufstieg in die erste Liga.
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