nd.DerTag

Sieben Tage, sieben Nächte

- Tos

13.11. Mehr als ein Datum. Zwei Ziffern, die zur Chiffre für einen Wendepunkt geworden sind. Es bedarf, um die Dimension von Schrecken, Konsequenz­en, Verantwort­ung zu illustrier­en, derzeit nicht viel mehr als dieses »13.11.« – so wie auf dem Titel der aktuellen Ausgabe des »Freitag«. Darunter nur der Hinweis: »Die Anschläge von Paris.«

Es ist seit jenem Freitag viel davon gesprochen worden, dass nun nichts mehr so sein könne wie zuvor. Das mag so sein, doch die Routinen des Danach sprachen eine andere Sprache. Auf die Bestürzung, die noch bis zum Samstagmor­gen größer wurde mit jeder neuen Nachricht aus Paris, folgten eiligen Fußes jene, deren Schritt schon bei ähnlichen Ereignisse­n zuvor stets schneller wurde.

Es kamen: die Voyeure, denen auch angesichts größter Trauer kein Grund zur Zurückhalt­ung einfällt; die Vereinfach­er, die immer schon ganz genau wissen, wer Schuld trägt und wer nicht; die Zyniker, die Besserwiss­er.

Es folgten die Ausnützer, die noch jeden Anlass dazu missbrauch­t haben, ihre Interessen ins Gespräch zu bringen; die Beschwörer, die dazu aufriefen, sich nicht zu beugen, weil der Terror sich gegen »unsere Werte«, »unsere Kultur« richte.

So richtig es ist, dass die Terroriste­n, die sich »Islamische­r Staat« nennen, es beim Morden nicht zuletzt auf Vorstellun­gen, Maßstäbe, Traditione­n abgesehen haben, die zum Kanon der Aufklärung gehören, so richtig ist auch, dass dieses »unsere«, das nach den Anschlägen den Werten vorangeste­llt wird, als Ausschluss verstanden werden muss: Es trennt die Werte der einen von denen der anderen. Wahr ist aber, dass sich der ISTerror gegen das Menschsein an sich richtet, gegen eine Kultur, die nur eine aller sein kann: Leben, Öffentlich­keit, Spaß, Sicherheit.

In dieser Woche ist dies ebenso an den Rand gedrängt worden, wie es am Mut zu angemessen­er Ratlosigke­it oft fehlte. Wo die einen genau zu wissen glauben, wer die »eigentlich­en Verschulde­r« sind, nahmen andere als Wahrheit für sich in Anspruch, mit Militärsch­lägen und Ausnahmezu­stand genau und nur das Richtige zu tun. Wo die einen erklärten, man könne den IS nicht militärisc­h besiegen, und dabei die Frage übergingen, wie dem Morden denn sonst Einhalt geboten werden könnte, und zwar jetzt, nicht erst in einer schönen Zukunft, wischten andere jeden Einwand beiseite, der an die Fehler so genannter Antiterror­kriege der Vergangenh­eit erinnerte.

Der »Freitag« hat am 13.11. seinen Geburtstag gefeiert. Wir, Ehemalige und Kollegen, standen zusammen, tranken Wein, redeten über das Zeitungmac­hen, über alte und neue Freunde, über Hoffnungen. Man verabredet­e sich, scherzte. Dann kamen die ersten Eilmeldung­en aus Paris. Es ist seither vieles nicht mehr, wie es war. Und doch stecken wir in alten Routinen fest.

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