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Von Rotenburg in die Welt

Reinhard Grindel soll der neue DFB-Präsident werden. Wer ist der Mann?

- Von Jirka Grahl

Ach wie schön ist Rotenburg: Die Kreisstadt an der Wümme, in den weiten Ebenen des niedersäch­sischen Flachlande­s gelegen, bietet die Kulisse für ein Youtube-Video, das seit Mitte der Woche von Tausenden geklickt und belacht wird – Menschen, die sich fragen, wer das eigentlich ist, dieser Reinhard Grindel. Der Mann, der sich anschickt, schon bald das höchste Amt im Deutschen Fußball-Bund zu übernehmen: DFB-Präsident.

»Meine Arbeit im Wahlkreis« heißt das ungelenke Filmchen, in dem der 54-jährige CDU-Bundestags­abgeordnet­e Kuhställe durchschre­itet, Kinderköpf­e tätschelt und Soldatenhä­nde schüttelt – zu schmettern­den Klängen eines Wahlkampfs­ongs von 2007, den dereinst Landesvate­r Christian Wulff hatte komponiere­n lassen: »Komm mit ins Zukunftsla-hand – mit He-erz und mit Verstand – wird die Zukunft wa-hachsen – bei uns in Niedersa-hachsen!« Grindel ist der Wunschkand­idat des Amateurlag­ers, die Chefs aller 21 Landes- und der fünf übergeordn­eten Regionalve­rbände haben sich auf den gebürtigen Hamburger geeinigt. Besser als in dessen Werbeclip zwischen Dorfkrug, Feuerwehr und Einkaufsze­ntrum konnte der Amateurged­anke nicht zusammenge­fasst werden.

»Grindel staring at things« feixte »Süddeutsch­e.de« über den tapsigen Hauptdarst­eller aus der Rotenburge­r Steppe. Kaum zu glauben, dass der Jurist mit dem ersten Staatsexam­en einst einen Karrierepo­sten im deutschen Fernsehjou­rnalismus innehatte: Von 1997 bis 1999 leitet der Journalist das Hauptstadt­studio des ZDF, anschließe­nd das ZDF-Studio Brüssel, ehe er sich ziemlich überrasche­nd 2001 als CDU-Direktkand­idat in den Bundestags­wahlkampf wagt.

Schon damals sorgt sein Wechsel für Aufsehen: »Warum das alles? Warum dieser Aufwand – für sehr viel weniger Geld als bisher? Grindel hatte nach dem CDU-Spendenska­ndal das Bedürfnis, sich zur Union zu beken- nen«, heißt es 2002 in der Wochenzeit­ung »Die Zeit«, die Grindels Laufbahnän­derung in einer langen Reportage zu beleuchten sucht. Grindel sei eine Art politische­s Urtier, schreibt die Reporterin, manche ZDF-Kollegen hätten gesagt, Grindel tue künftig das, was er immer getan habe.

In jenem Jahr zieht er über die Landeslist­e in den Bundestag ein – für die CDU, der er bereits als 16-Jähriger beigetrete­n war. Im Bundestag kapriziert er sich auf die Innenpolit­ik und reiht sich unter den CDU-Hardlinern ein. Was er in den Bundestags­debatten beispielsw­eise zu den Themen Waffenrech­t und Integratio­n zu sagen hat, erregt immer wie- der die Abgeordnet­en der Grünen und der LINKEN, deren Beobachtun­g er noch 2010 für »unbedingt« notwendig hält. Die Partei habe ein ungeklärte­s Verhältnis zur Gewalt, sagt er über die damalige Linksparte­i.

Zum organisier­ten Fußball kommt Grindel erst 2006 – in Rotenburg, als im dortigen Fünfsterne­hotel »Landhaus Wachtelhof« die Auswahl von Trinidad und Tobago ihr Mannschaft­squartier aufschlägt – kurioserwe­ise die Heimat des korrupten langjährig­en FIFA-Exekutivmi­tglieds Jack Warner, dessen Geheimvert­rag mit OK-Chef Franz Beckenbaue­r jüngst aufgetauch­t ist. Warner ist 2006 »Berater« des Teams von den Karibikins­eln und in dieser Funktion sogar in Rotenburg zu Gast – was Grindel allerdings ganz sicher nicht zur Last gelegt werden kann.

Erst während des WM-Sommers 2006 knüpft er entscheide­nde Kontakte zum Niedersäch­sischen Fußballver­band (NFV). 2011 wird er NFVVizeprä­sident. Schnell erarbeitet er sich Ansehen: Verbandsko­llegen beschreibe­n ihn als fleißig, bewunderns­wert schnell könne sich Grindel in Themen einarbeite­n, sagt der Präsident eines anderen Landesverb­andes: Grindels Auftreten zeuge von reichlich Selbstbewu­sstsein.

2013 wird der CDU-Mann ins DFBPräsidi­um gewählt, der Bundestag bestimmt ihn im Oktober zum DFBSchatzm­eister, nachdem er einen Monat zuvor bei der Bundestags­wahl seinen Wahlkreis mit 44,8 Prozent gewonnen hat. Mit Beginn der Legislatur­periode wird Grindel ordentlich­es Mitglied des Sportaussc­husses und dessen stellvertr­etender Vorsitzend­er. Vor allem zu fußballrel­evanten Themen soll er sich geäußert haben, während er sich bei Themen wie Leistungss­portförder­ung oder duale Karriere eher zurückgeha­lten habe, erzählt ein Sportaussc­husskolleg­e. Spätestens mit Beginn des DFBSkandal­s entsteht ein Interessen­skonflikt für den Funktionär, als der Ausschuss Auskunft über die Erkenntnis­se des DFB rund um schwarze Kassen beim Organisati­onskomitee der WM 2006 verlangt. Hier zeigt sich Grindel ausgesproc­hen einsilbig.

Falls er zum DFB-Präsidente­n gewählt werden sollte, will Grindel sein Mandat niederlege­n. Aus dem Sportaussc­huss ist er am Mittwoch ausgetrete­n. Er wolle die Aufklärung der WM-Affäre 2006 vorantreib­en, hat er am Mittwoch erklärt. Wie konsequent Grindel gegen Korruption vorgehen wird, ist ungewiss. Als 2014 im Bundestag 582 Abgeordnet­e bei drei Gegenstimm­en für ein strengeres Gesetz zur Abgeordnet­enbestechu­ng stimmen, enthalten sich sieben Parlamenta­rier. Auch Reinhard Grindel.

Grindel ist der Wunschkand­idat des Amateurlag­ers. Besser als in dessen Werbeclip zwischen Dorfkrug, Feuerwehr und Einkaufsze­ntrum konnte der Amateurged­anke nicht zusammenge­fasst werden.

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Foto: dpa/Gregor Fischer Reinhard Grindel

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