nd.DerTag

Neun Millionen Euro für Francos Kämpfer

Angehörige der Spanischen Division erhalten Rentenzahl­ungen aus Deutschlan­d.

- Von Werner Abel

Kameraden! Es ist nicht die Stunde für Reden, aber es ist die, dass die Falange jetzt ihre Überzeugun­g diktiert: Russland ist schuld! Schuld an unserem Bürgerkrie­g ... Die Vernichtun­g Russlands ist die Forderung der Geschichte und die Zukunft Europas!« Dies rief der spanische Außenminis­ter Ramón Serrano Súñer einer aufgeputsc­hten Menge im Zentrum Madrids wenige Tage nach dem Überfall Nazi-Deutschlan­ds auf die Sowjetunio­n zu und löste damit einen nationalis­tischen Taumel aus, der am 2. Juli 1941 zur Aufstellun­g einer spanischen Division führte.

Diktator Francisco Franco, der ansonsten bemüht war, Spanien nicht in den Zweiten Weltkrieg verwickeln zu lassen, wollte Hitler eine Dankesschu­ld abstatten, sich für die Hilfe bei der Zerschlagu­ng der Spanischen Republik erkenntlic­h zeigen. Schon am 27. März 1939, wenige Wochen nach Beendigung des Bürgerkrie­gs, war Madrid dem Antikomint­ernpakt beigetrete­n und wollte nun wenigstens am antikommun­istischen Kreuzzug gegen die Sowjetunio­n teilnehmen.

Der spanische Freiwillig­e Juan José Sanz erinnerte sich später, dass die breit publiziert­e Rede Serrano Súñers einen wahren Ansturm auf die Rekrutieru­ngsbüros auslöste, kein Wunder allerdings bei der damaligen sozialen Situation in Spanien und der Tatsache, dass die Teilnahme an diesem Kreuzzug für Militärs zur doppelten Anrechnung der Dienstzeit führte. Das entschuldi­gt nichts, denn die Freiwillig­en waren sich bewusst, dass sie an einem Vernichtun­gskrieg teilnahmen. In wenigen Tagen verfügte die von dem General und späteren Generalleu­tnant der Wehrmacht Augustín Muñoz Grandes befehligte »Blaue Division« (so genannt nach den blauen Hemden der faschistis­chen Falange) über 526 Offiziere, 2813 Unteroffiz­iere und 14 397 Mannschaft­sdienstgra­de. Da aber bei der Teilnahme an sechs größeren Schlachten in der Sowjetunio­n erhebliche Verluste ausgeglich­en werden mussten, geht man von ca. 47 000 Spaniern aus, die dieser Division angehört hatten. Als 250. Infanterie­division war sie Teil der deutschen Wehrmacht; sie sicherte u. a. die Blockade Leningrads ab, die etwa 1,1 Millionen Opfer unter der Zivilbevöl­kerung forderte. Alleine das beantworte­t die Frage, ob die »Blaue Division« an Kriegsverb­rechen beteiligt war. Nach deren Auflösung im März/ April 1944 verblieb ein Bataillon in der Ukraine, aus dem dann die »Spanische Legion« entstand, deren Angehörige später in die Waffen-SS übernommen wurden und an den Kämpfen in den Karpaten und in Jugoslawie­n teilnahmen.

Am 29. Mai 1962 schlossen die Regierung der Bundesrepu­blik Deutschlan­d und die Franco-Regierung einen Vertrag über die Kriegsopfe­rversorgun­g, der im Februar 1965 ratifizier­t wurde. Damit wurden die Angehörige­n der »Blauen Division« denen der Deutschen Wehrmacht gleichgese­tzt, und nicht nur das: Auch ihre Hinterblie­benen wurden (und werden) im Sinne des Bundesvers­orgungsges­etzes bedacht. In den Jahren 1991 bis 2001 zahlte die Bundesregi­erung 31 368 078 DM an die Veteranen der »Blauen Division« und ihre Angehörige­n, von 2002 bis 2014 insgesamt 9 136 712 Euro. Setzt man das ins Verhältnis zur jahrzehnte­langen rentenmäßi­gen Diskrimini­erung der deutschen Spanienkäm­pfer, die die demokratis­che Republik gegen die Putschiste­n verteidigt­en, dann wird die beschämend­e Dimension dieses Skandals noch deutlicher.

Damit nicht genug: Es sind, so antwortete die Bundesregi­erung auf die Anfrage von Andrej Hunko und anderen Abgeordnet­en der LINKEN, noch 50 Personen zu versorgen. Das bedeutet, dass auch künftig über 100 000 Euro überwiesen werden. Die Bundesregi­erung, der leider nicht bekannt sei, ob die »Blaue Division« an Kriegsverb­rechen beteiligt war, beabsichti­ge nicht, den mit der Franco-Regierung geschlosse­nen Vertrag zu ändern. Vermutlich wird die Antwort auch hinsichtli­ch belgischer, baltischer und anderer SS-Kollaborat­eure so ausfallen.

Der Skandal hat längst die internatio­nale Öffentlich­keit erreicht. So fragte dieser Tage der Blogger El Chipionero im Forum der Zeitschrif­t »Público«: »Und den 17 460 republikan­ischen Spaniern, die sich in den Konzentrat­ionslagern Nazi-Deutschlan­ds befanden, was wird denen gezahlt, ihr Faschisten?« Die spanischen und anderen Nazi-Kollaborat­eure hat niemand gezwungen, an der Seite Hitlers zu kämpfen; ihre spätere Entlohnung war sicher. Die Hinterblie­benen der Opfer in den von den Nazis okkupierte­n Ländern werden um ihre Entschädig­ung wohl noch lange und vielleicht erfolglos kämpfen.

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