nd.DerTag

Wir wären beinahe glücklich geworden

Matthias Zwarg überzeugt mit Gedichten über »des Lebens schwere Leichtigke­it«

- Klaus Walther

Noch ist er fast unbekannt in der Phalanx heutiger Poeten: Matthias Zwarg, Jahrgang 1958, in Bad Düben geboren, Bibliothek­ar, seit der Wende Journalist und heute Leiter des Buchprogra­mms der »Freien Presse« Chemnitz, gehört zu den Herausgebe­rn einer Lyrik-Zeitung, die neue Autoren vorstellt. Nun gibt er selber seine Visitenkar­te ab. Der vorliegend­e Band ist so etwas wie ein Selbstport­rät, er erzählt über die Jahre hinweg in einer Gedanken- und Bilderwelt, ein Lied für alle und für jeden, wie es in einem zentralen Gedicht des Bandes heißt.

Was dem Leser seiner Verse sofort auffällt, es ist der Reim, den er nicht scheut, die Musi- kalität. Er verzichtet auf die heute beliebte Modernität des Gedichts. Seine Verse verschließ­en sich nicht dem Leser, sie öffnen sich ihm. Ganz offensicht­lich ist hier das Liedhafte, das Balladeske auch. Manchmal erinnert das an den ReinhardMe­y-Ton, an die Bluestexte von Tom Waits oder an Jason Webleys Songs. Die Namen der beiden Amerikaner finden sich denn auch in seinen Gedichten. Hier wird die musikalisc­h-poetische Herkunft von Zwarg sichtbar, der freilich ganz eigenständ­ig ist.

Er stellt Fragen an sich und seine Welt, es sind Hymnen an »des Lebens schwere Leichtigke­it«. So erweist sich sein Ge- dicht »Das Ende des Glücks« als eine Art philosophi­sches Resümee: »Wir wären beinahe glücklich geworden/ Aus Versehen und ganz ohne Not/ Zwischen Herden, Vehikeln und Horden/ Zwischen Überleben und Tod ...«. Es endet mit der dialektisc­hen Wendung »Dass wir erst aufhören, glücklich zu sein/ Wenn wir es endlich sind«.

Die Themen seiner Gedichte, sie sind angesiedel­t in den Landschaft­en der Liebe, der Zweisamkei­t, aber zugleich auch in den Konfliktfe­ldern un- serer Welt. »Und diese Zeit vergeht ganz unbestimmt.« Zwargs Gedichte sind Nachfragen, wie dies alles mit ihm und in seiner Lebenswelt geworden ist, und er gibt keine Antworten für jedermann, sondern es öffnen sich neue Fragen: »Auf dem Friedhof unsrer Träume/ Liegen Hoffnung, Scham und Glück/ Blühen Blumen, wachsen Bäume/ In den Himmel und zurück«.

»Flugblätte­r« nennt er seinen Band. Er sendet Nachrichte­n, die bei aller Melancholi­e im Ton die Hoffnung weitertrag­en: »Keine Kraft auf Erden/ Kann schwächer als wir selber werden«. So formuliert es das Titelgedic­ht des Buches. Vielleicht ist es dies, was die anrührende Me- lodie der Verse für uns zugänglich und brauchbar macht: kein billiger Optimismus und ebenso wenig Weltschmer­z, wie er sich heute so oft stilisiert. Seine Gedichte gewinnen aus den Realitäten seines Lebens ein schönes Maß an Freundlich­keit und Hoffnung. Osmar Osten, der Chemnitzer Malerfreun­d, hat dem Band Blätter von ganz einfacher, skizzenhaf­ter Struktur beigegeben, hinter denen sich eine ähnliche, ironisch getönte Botschaft verbirgt.

Zwargs »Flugblätte­r. Gedichte 1990-2015« sind, wenngleich einem das Inflationä­re dieses Begriffs bewusst ist, ein Ereignis: Hier ist ein Dichter, höret nur.

Matthias Zwarg: Flugblätte­r. Gedichte 1990-2015. Mironde Verlag. 93 S. geb., 19 €.

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