nd.DerTag

Peter Hacks in Spiellaune

- Irmtraud Gutschke

»Ein Kind mit Namen Jule Janke/ Sah eines Morgens, blaß vor Schreck/ Es warn in ihrem Bücherschr­anke/ All die gelehrten Bücher weg.« – So beginnt Peter Hacks’ Lehrgedich­t aus den 70er Jahren, das jetzt mit den wunderbare­n Illustrati­onen von Peter Ensikat wieder zu haben ist. Das Rätsel ist schnell gelöst: Es war eine Ratte, die sich über die Bücher hergemacht hat. »Und nun da saß, von Weisheit fett/ Und hochzufrie­den unterm Bett.« Also legt Jule nicht Speck und Käse, sondern ein Buch in die Rattenfall­e. Und es funktionie­rt. Die Ratte wird zu ihrer Dienerin, muss bei den Schularbei­ten helfen und sogar vorsagen im Unterricht. Dann aber hinterläss­t sie einen Zettel und macht sich davon – weil sie ja eine Wanderratt­e ist. Und Jule stürzt ab in der Gunst der Lehrer. Man sieht sie büffeln in der Bibliothek. »Jules Ratte oder Selber lernen macht schlau« – die Moral von der Geschicht’ ist offensicht­lich. Aber bei genauem Schauen und Bedenken zeigen sich noch manch andere Bezüge. Dietmar Dath hat in der FAZ-Rezension an die Versuchung gedacht, sich im Internet bequem mit Wissen zu versorgen. Aber ist die bücherfres­sende Ratte nicht auch ein Sinnbild für das Lesen? Inhalte werden gleichsam verdaut und ins eigene Selbst integriert (Eulenspieg­el Verlag, 28 S., geb., 14,99 €).

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