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Der Mörder ist immer der Platzwart – oder?

Philip Kerr leuchtet mit seinem Thriller hinter die Kulissen des Profifußba­lls

- Hajo Obuchoff

Das ist ja ein echter Fußballkri­mi – so heißt es, wenn es spannend auf dem grünen Rasen zugeht. Indes gibt es wenige Kriminalro­mane, die sich dem Thema Fußball widmen. Nun zeigt Philip Kerr in seinem Buch »Der Wintertran­sfer«, dass es im Kickerlebe­n verdammt kriminell zugeht.

Im deutschspr­achigen Leseraum kennt man den schottisch­en Bestseller­autor eher durch seine Bernie-GuntherRei­he, die im Berlin der Nazizeit angesiedel­t ist. Der Spezialist für historisch­e Krimis springt nun in die heutige Zeit. Besonders die geschlosse­ne Gesellscha­ft des Fußballs eigne sich gut für einen Thriller, meint er. Immerhin finden sich viele Verdächtig­e: Spieler, Betreuer und natürlich – zum britischen Krimi gehören Butler und Gärtner – der Platzwart. Der ist in diesem Fall – das möchte ich schon verraten – nicht der Mörder des Trainers Joao Zarco vom FC London City.

Diesen fiktiven Fußballver­ein schuf Kerr für seinen Roman, ebenso wie den ukrainisch­en Oligarchen und Fußballklu­bbesitzer Viktor Sokolnikow. Mit viel Knete hatte der den Retortenkl­ub in die englische Premier League gebracht. Das erinnert an den FC Chelsea London, der dem russischen Milliardär Roman Abramowits­ch gehört. Zum Geschehen: Ausgerechn­et zu Weihnachte­n wird mitten auf dem Rasen des Spielfelds im Stadion ein Grab entdeckt – ohne Leiche. Dann aber: Bald liegt der portugiesi­sche Cheftraine­r Joao Zarco ermordet in den Katakomben des Stadions. Der Mann galt als charismati­scher und arroganter Provokateu­r. Ähnlichkei­ten mit dem ChelseaTra­iner José Mourinho sind auffällig. Zarco hat manche Feinde: betrogene Ehemänner, beleidigte Spieler und natürlich die Russenmafi­a.

In der Story beauftragt der Oligarch Sokolnikow nun den Co-Trainer Scott Manson damit, den Mord am Cheftraine­r aufzukläre­n, bevor Polizeierm­ittlungen und Presserech­erchen unangenehm­e Fakten zu Tage fördern.

Manson ist – für einen Trainer untypisch – von Haus aus wohlhabend, hat studiert, ist mehrsprach­ig, verbrachte aber auch einige Jahre im Knast. Obendrein ist er Sohn eines Schotten und einer farbigen deutschen Mutter. Einer wie Manson sitzt nicht auf der Trainerban­k. Jedenfalls nicht bei einem britischen Spitzenklu­b. Aber künftig durchaus denkbar.

Das Buch geht über den Horizont des rasanten Rasensport­s hinaus. Und wie es sich für einen Roman gehört, ist auch eine Liebesgesc­hichte enthalten. Mansons Ehe befindet sich nämlich gerade in einer ernsten Krise. Fußball scheint auch blind zu machen. Umgehend indes lässt das Schicksal eine schöne und angenehme Polizistin erscheinen. Für Manson ein willkommen­er Trost.

Der Autor führt uns ansonsten hinter die Kulissen des Profifußba­lls. Und er teilt tüchtig aus – gegen die kommerziel­le Fußballwel­t, den profession­ellen Ligabetrie­b, gegen überbezahl­te und tumbe Kicker, unfähige und korrupte FIFA-Funktionär­e, homo- phobe und rassistisc­he Fans auf den Tribünen. Auch der Wüstenstaa­t Katar bekommt etwas ab.

»Solange Fußballer sich gegenseiti­g beißen, rassistisc­he Beleidigun­gen an den Kopf werfen und ihren Mitspieler­n die Frauen ausspannen, gibt es gar keinen Zweifel daran, dass die wichtigste Nebensache der Welt voll guter Geschichte­n steckt«, meint Kerr.

Schließlic­h verweist er auf den Spruch der schottisch­en Fußball-Legende Bill Shankly, dass es beim Fußball um Wichtigere­s gehe als um Leben und Tod. Also ganz klar ein Thema für die Literatur. Fazit: Nicht nur für Fußballken­ner empfehlens­wert.

Philip Kerr: Der Wintertran­sfer. Thriller. A. d. Engl. v. Axel Merz. Tropen Verlag. 432 S., br., 14,95 €.

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