Mit Stolz und Humor
Neue Erlebnisse, Betrachtungen und Erkenntnisse aus der DDR
»Ich bin äußerst dankbar, dass ich die vierzig Jahre DDR erleben durfte. Das Leben im sozialistischen Deutschland hat mich geprägt.« Das könnte der gemeinsame Nenner für den Inhalt der siebzig Erinnerungsbeiträge sein, die Horst Jäkel herausgegeben hat. Schon für diese Leistung mit dem Titel »DDR – Meilenstein der Geschichte« verdient der Herausgeber Dank und Respekt. Die Achtung für Horst Jäkel und den GNN-Verlag wächst, wenn wir in Rechnung stellen, dass es sich um den nun bereits zehnten Band der Reihe »Erlebnisse. Betrachtungen. Erkenntnisse. Dokumente« handelt, in denen sich bisher 457 Ostdeutsche an die DDR erinnerten. Wie immer gibt es ein Titelbild von einem DDR-Künstler. Dieses Mal wählte Jäkel wohl aus gutem Grund Walter Womackas Mädchen mit der Friedenstaube. Die DDR war kein kriegerischer Staat.
Das Buch erscheint just zur rechten Zeit, da der Streit um das Geschichtsbild eine besondere Schärfe angenommen und auch die Linken gespalten hat. Der erste Ministerpräsident, den DIE LINKE stellt, Bodo Ramelow, hat sich leider dazu hinreißen lassen, in den Koalitionsgesprächen von der DDR als »Unrechtsstaat« zu sprechen. Welche selbstmörderischen Konsequenzen sich für Linke hieraus ergeben, ist vielerorts nachgewiesen worden. Und in den Zeitzeugenberichten, die Jäkel bündelte, wird mit Sachverstand, Faktentreue, Humor und Leidenschaft bestätigt, dass die DDR trotz mancher Fehler und Irrtümer ein durchaus liebens- und schützenswerter Staat war.
Dieter Rost berichtet über den VEB Stahl- und Walzwerk Brandenburg, Werner Wild beschreibt Leben und Arbeit in der LPG, Herbert Meißner würdigt den Universalgelehrten Jürgen Kuczynski. Die Vielfalt der Themen und Handschriften ist einer der Vorzüge der Erinnerungen. Gelegentlich greifen Aufsätze in aktuelle politische Auseinandersetzungen ein. Das gilt z. B. für die Berichte über die »Heimkinder« in der DDR, die den Gruselgeschichten des Boulevard widersprechen.
Diese Erinnerungen können auch in anderer Hinsicht ein Mittel im Streit der Linken sein. Viele Politiker, die 1989/90 die DDR verrieten, versuchen heute, ihre damaligen Handlungen zu rechtfertigen. Einer von ihnen ist Hans-Joachim Meyer, bis 1989 als wohlbestallter Anglistikprofessor auf die DDR vereidigt, in der »frei gewählten« Regierung von Lothar de Maizière 1990 Bildungsminister und zuständig dafür, Kollegen ans Messer zu liefern. Auch unter Kurt Biedenkopf in Sachsen über zehn Jahre lang gewissenloser »Abwickler« Hunderter Wissenschaftler in einem Bundesland, das stolz auf seine Wissenschaftslandschaft hätte sein können. Der antikommunistische christdemokratische Minister war auch noch stolz auf seine Untaten, schämte sich nicht, mit seinen Biografien zerstörenden Entscheidungen und seiner Nähe zur Macht zu prahlen: »Zwei Männer sind es, denen ich es danke, dass mein jahrzehntelanger Traum, politisch handeln und gestalten zu können, sich noch jenseits meines fünfzigsten Lebensjahres erfüllen sollte: Lothar de Maiziere und Kurt Biedenkopf. Dass ich von April 1990 bis April 2002 erregende und erfüllte Jahre in der Politik erlebte, war nur möglich durch ihr Vertrauen. Durch ihren Entschluss streifte auch mich ein Hauch vom Atem der Geschichte.« Meyer dankte zwei Erfüllungsgehilfen des Kapitals.
Die Zeitzeugen, die Jäkel zu Wort kommen ließ, danken der Deutschen Demokratischen Republik.
Horst Jäkel (Hg.): DDR – Meilenstein der Geschichte. GNN. 452 S., br., 20 €.