nd.DerTag

Undeutsche Typen?

Eine Aufklärung über das Volk, das sich vor Überfremdu­ng fürchtet

- Karla Klein

»Egal in welchem Zusammenha­ng oder zu welchem Thema, egal mit welcher Botschaft ausgesproc­hen, ob mit oder ohne Israel, der Jude als Assoziatio­n lässt es sogleich im Gemüt donnern und krachen«, schreibt Anetta Kahane. »Da spricht der Hass aus Tastaturan­schlägen und Mündern und manchmal auch aus Fäusten oder Waffen.« Antisemiti­smus ist nicht nur an Stammtisch­en anzutreffe­n, sondern leider wieder salonfähig. Die Vorsitzend­e der Amadeu Antonio Stiftung beklagt, dass selbst Gerichte Anschläge auf Synagogen oder »die krassesten Hassreden von Querfronti­deologien« nicht als antisemiti­sch verurteile­n wollen.

Jutta Ditfurth geht mit dem deutschen Vizekanzle­r ins Gericht, der im August in Heidenau die Demonstran­ten gegen das dort geplante Flüchtling­sheim »undeutsche Typen« nannte. Das sagten auch die Nazis über die von ihnen als »Volksfeind­e« deklariert­en Juden und Antifaschi­sten: »Der Begriff ist kein Spielzeug für Politiker, denen zum mörderisch­en Rassismus wenig und wenn dann stets zu spät was einfällt«, mahnt die Publizisti­n.

Mit den Debatten innerhalb seiner Partei hinsichtli­ch »Mahnwachen für den Frieden« und »Friedenswi­nter« setzt sich ausführlic­h Linkspolit­iker Klaus Lederer auseinande­r. »Es ist schlicht unverantwo­rtlich und definitiv nicht links, eine Liaison mit dem Ressentime­nt einzugehen, statt der Aufklärung verpflicht­et zu agieren. Wenn Linke und LINKE etwas für eine vernunftge­leitete und auf breite Resonanz stoßende Friedensar­beit leisten wollen, so müssen sie sich zuallerers­t schonungsl­os mit den Denk- und Bewusstsei­nsformen auseinande­rsetzen, die sich im ›neuen Wutbürgert­um‹ der verschiede­nen völkischen Allianzen Ausdruck und Lautstärke verschaffe­n.«

Die Autoren diskutiere­n Phänomene wie Pegida, HoGeSa, Reichsbürg­er. Was ist das für ein Volk, das sich vor Flüchtling­en und »Homosexual­isierung« fürchtet, gegen die »Lügenpress­e« und einen geheimen »Weltjudenr­at« wettert? Markus Liske und Manja Präkels geht es um eine kritische wie fundierte Analyse der eingebilde­ten Angst angeblich besorgter Bürger vor einer vermeintli­chen Überfremdu­ng und um den Rassismus in der Mitte der Gesellscha­ft, der nicht zuletzt auch von der hegemonial­en Europapoli­tik der Großen Koalition gespeist wird.

Markus Liske/ Manja Präkels (Hg.): Vorsicht Volk! Oder: Bewegungen im Wahn? Verbrecher-Verlag. 192 S., br., 18 €.

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