nd.DerTag

Ex-Makellose

- Von Marcus Meier

Ihr drohen theoretisc­h ein Jahr Haft und eine bei ihrer Gehaltskla­sse leicht verschmerz­bare Geldstrafe von 15 000 Euro. Ihre Höchststra­fe ist aber eine andere: Christine Madeleine Odette Lagardes politische Karriere dürfte beendet sein. Vorgeworfe­n wird der 60-Jährigen Nachlässig­keit im Umgang mit öffentlich­en Geldern, Veruntreuu­ng und Amtsmissbr­auch. Frankreich­s Oberster Gerichtsho­f eröffnete am Freitag den Prozess gegen die konservati­ve Politikeri­n, hält den Verdacht also für substanzie­ll. Die IWF-Direktorin wird das Verfahren nicht im Amt überstehen, das die TTIP-Befürworte­rin dank US-amerikanis­cher und deutscher Unterstütz­ung erlangte. Der Rücktritt ist unvermeidl­ich.

Die anstehende Demission der einstigen »Madame Makellos« (»Der Spiegel«) bedeutet eine weitere Schmach für Frankreich: Erst wurde Dominique Strauss-Kahn mit einem Vergewalti­gungsvorwu­rf von der IWF-Spitze verjagt, jetzt muss seine Nachfolger­in Lagarde in Unehren abtreten. Einem dritten Franzosen würde man den IWF wohl kaum anvertraue­n. Wem auch? Nationalhe­ld Antoine Griezmann ist anderweiti­g beschäftig­t.

Das Verfahren schwebte seit fünf Jahren wie ein épée de Damoclès über der erfolgreic­hen Juristin und Politikeri­n. Die einstige Synchronsc­hwimmerin soll sich in ihrer Zeit als Ministerin für Wirtschaft und Finanzen vorschnell auf einen Ver- gleich mit dem Politiker und Geschäftsm­ann Bernhard Tapie geeinigt haben. Es geht um über 400 Millionen Euro Schadenser­satz und Schmerzens­geld, die Tapie in einem privaten Schiedsger­ichtsverfa­hren zugebillig­t wurden.

Tapie hatte die damalige Staatsbank Crédit Lyonnais 1994 beauftragt, seine Adidas-Aktien zu verkaufen. Das Geldhaus erwarb die Wertpapier­e für zwei Milliarden Euro und veräußerte sie zum doppelten Preis. Tapie sah sich geprellt. Das Schiedsver­fahren ist umstritten: Tapie wird bandenmäßi­ger schwerer Betrug vorgeworfe­n, da er persönlich­e Beziehunge­n zu einem der Richter unterhalte­n haben soll. Lagarde hatte den Deal ermöglicht, der Tapie ein langes reguläres Gerichtsve­rfahren ersparte. Das wurde ihr zum Verhängnis.

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Foto: dpa/Berit Roald IWF-Chefin Christine Lagarde muss sich vor Gericht verantwort­en.

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