Die Stimme aus dem Off
Ingolf Bossenz über das Missverständnis eines gut gemeinten Satzes
Gäbe es eine Rangliste der vom Politikbetrieb abgesonderten unklugen Sätze, hätte »Der Islam gehört zu Deutschland« beste Aussichten auf einen vorderen Platz. Nicht, dass der Satz falsch wäre. Das Problem ist, dass dieser schlichten Tatsachenfeststellung durch ihre von höchster Stelle erfolgte Verkündigung ein ungesagtes Additiv anhängt, das gleichsam im semantischen Off mitklingt: »... und das ist auch gut so!« Dieses Unausgesprochene weckt indes merkwürdige Erwartungen, wie die Reaktion auf eine Erhebung des Evangelischen Pressedienstes zur Religionszugehörigkeit von Mitgliedern der Bundesregierung und der Länderkabinette zeigt. Die Mehrheit deutscher Regierungsmitglieder bekennt sich laut Umfrage zum christlichen Glauben (66 Prozent). 23 Prozent sind konfessionslos, 11 Prozent machten keine Angaben. Niemand bekannte sich zum Islam. Religionssoziologisch mag das interessant sein; politisch ist es – in einem säkularen Staat – unerheblich.
Indes zeigte sich Detlef Pollack vom Exzellenzcluster »Religion und Politik« der Universität Münster durchaus erstaunt: »Ich hätte gedacht, dass man gerade in der Politik großen Wert darauf legt, Muslime in das politische Geschäft zu integrieren.« Genau das ist das Missverständnis eines gut gemeinten Satzes: Dass der Islam zu Deutschland gehört, erheischt nicht zwingend seine Regierungsbeteiligung. Was übrigens auch für jede andere Religion gilt.