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»Wos war mei Leistung?«

Österreich­s Ex-Finanzmini­ster Grasser kommt unter Korruption­sanklage vor Gericht

- Von Hannes Hofbauer, Wien

Fast sieben Jahre hat die Staatsanwa­ltschaft ermittelt. Nun muss der ehemalige Finanzmini­ster KarlHeinz Grasser vor den Kadi. Er soll im Zuge von Privatisie­rungen Millionenb­eträge veruntreut haben.

Es ist der größte Korruption­sskandal in Österreich seit den Bereicheru­ngen von Ministern während der Zeit des Marshallpl­ans. Der als Sunny-Boy der österreich­ischen Innenpolit­ik auftretend­e Karl-Heinz Grasser wird beschuldig­t, eine der umfangreic­hsten Privatisie­rungen genutzt zu haben, um sich und seine Freunde zu bereichern. Auch bei der Errichtung und Vermietung von Gebäuden für die Finanzbehö­rden soll es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein.

In der Hauptsache geht es um die Abwicklung einer monströsen Privatisie­rung von fünf bundeseige­nen Wohnbauges­ellschafte­n, der sogenannte­n »Buwog«. Die im Jahr 2000 ins Amt gekommene ÖVP-FPÖ-Regierung Schüssel hatte sich zum Ziel gesetzt, 61 864 staatliche Wohnungen zu verkaufen.

Damit beauftragt war Karl-Heinz Grasser, der auf einem FPÖ-Ticket zum Minister bestellt wurde. Später tauschte er die Parteifarb­en und übersiedel­te – ohne Mitglied zu sein – in den Bundesvors­tand der ÖVP. Auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn heiratete der Kärntner Autohändle­r im Oktober 2005 die Erbin des Tiroler Kristallgl­asunterneh­mens Swarovski.

Schon die Auftragsve­rgabe für die konkrete Abwicklung der Privatisie­rung im September 2002 kostete den Staat mehr als nötig. Den Zuschlag erhielt die US-Investment­bank Lehman Brothers, obwohl ein heimisches Unternehme­n vier Millionen billiger gewesen wäre.

Die Ausschreib­ung zum Verkauf der »Buwog« selbst bietet dann das Sittenbild einer Politikerk­aste, die möglichst viel für sich selbst heraushole­n will. In einer ersten Bieterrund­e im Dezember 2003 lag das Buwog-Angebot von »CA Immo« mit 922 Millionen Euro noch um 85 Millionen über dem des zweiten Kaufintere­ssenten »Immofinanz«. Das Finanzmini­sterium schrieb eine zweite Bieterrund­e aus; im Juni 2004 lagen neue Angebote vor. Nun bot die »Immofinanz« mit 961 Millionen Euro exakt eine Million mehr als die »CAImmo«. Der Ministerra­t segnete noch am selben Tag den Verkauf ab. Dass einer der Grasser-Vertrauten, ein gewisser Ernst Karl Plech, zugleich Aufsichtsr­at der »Buwog« und Makler der »Immofinanz« war, die den Zuschlag erhielt, störte zu diesem Zeitpunkt nur die Grünen.

Der Verdacht, dass der Buwog-De- al geschoben war, hat sich erhärtet. Im Herbst 2009 erstattete Grassers Intimfreun­d und Trauzeuge, der FPÖPolitik­er Walter Meischberg­er, Selbstanze­ige wegen Steuerhint­erziehung. Er hatte seine Provision als Berater von »Immofinanz« in Höhe von 9,9 Millionen Euro für den Buwog-Deal auf ein zyprisches Konto gelegt und nicht versteuert. Legendär wurde der ehemalige FPÖ-Klubobmann, als er in einem abgehörten Telefonges­präch mit Grasser diesen in Zusammenha­ng mit Provisions­zahlungen fragte: »Wos war mei Leistung?«

Bei den Ermittlung­en tauchten weitere Konten in Liechtenst­ein auf, von denen vermutet wird, dass sie sich mit Geld aus dem »Buwog«-Verkauf füllten. Neben Meischberg­er werden diese einem Lobbyisten und eben Grasser selbst zugerechne­t. Dieser bestreitet den Vorwurf.

Auf der Anklageban­k will die Staatsanwa­ltschaft 17 Verdächtig­e sitzen sehen. Im Kern geht es darum, ob nachgewies­en werden kann, dass Finanzmini­ster Grasser Freund Meischberg­er mit seinem Insiderwis­sen über die Kaufangebo­te versorgt, dieser den entscheide­nden Tipp an »Immofinanz« weitergele­itet und dafür zehn Millionen Euro kassiert hat, die auf Liechtenst­einer Konten landeten. Grasser meint: »Ich habe ein supersaube­res und reines Gewissen.«

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