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Wenn Cowboys alt werden

Havelbergs Pferdemark­t verbuchte zuletzt einen Besucherrü­ckgang – die Stadt versucht es nun mit mehr Werbung

- Von Sabrina Gorges, Havelberg dpa/nd

Nach Verlusten 2015 wird der berühmte Havelberge­r Pferdemark­t in Sachsen-Anhalt – einer der größten Jahrmärkte Deutschlan­ds – stärker beworben als sonst. Markmeiste­r Härtwig behält den Überblick. »Nie ohne«, sagt Dieter Härtwig und reckt den Zeigefinge­r in die Luft. »Wenn Pferdemark­t ist, hab ich immer den Hut auf.« Bilder beweisen das zuhauf. Es ist das Exemplar »Cowboy« und irgendwie passt die Kopfbedeck­ung zur Veranstalt­ung in Havelberg, deren Tradition mindestens bis ins Jahr 1750 zurückreic­ht. Der Cowboyhut ist das Symbol für Geselligke­it, Rauheit und Urtümlichk­eit – oder eben Rummel, Handel und Trödel.

Am ersten Wochenende im September behält der 58-Jährige auf einem der größten Jahrmärkte in Deutschlan­d den Überblick. Unter seiner Regie treffen mehr als tausend Händler und Schaustell­er auf durchschni­ttlich 200 000 Besucher. Marktmeist­er Härtwig: »Das ist unsere fünfte Jahreszeit. Ist der Pferdemark­t vorbei, ist das Jahr vorbei.«

Pferdemark­t ist in Havelberg, das in der Grenzregio­n zu Brandenbur­g liegt, in diesem Jahr vom 1. bis 4. September. Seit Dezember ist das Planen für die vier Plätze im Gange, vier Wochen vor dem Start ist Härtwigs Büro im Rathaus verwaist. »Dann bin ich nur noch draußen.« Auf dem Areal wird gemäht, Einzelfläc­hen werden abgesteckt und die Versorgung mit Strom, Wasser und Telefon realisiert. Rund 200 Verkehrssc­hilder werden nur zum Pferdemark­t zusätzlich aufgestell­t, der Plan dafür ist mehr als zehn Seiten lang.

Auf dem Havelberge­r Pferdemark­t werden natürlich Pferde gehandelt – etwa 500 an der Zahl, schätzt Härtwig. Andere Tiere wechseln ebenso den Besitzer wie Ramsch, Trödel und andere Waren. Etwa 80 Schaustell­er sorgen für die Unterhaltu­ng des Publikums, das sich über wenige Straßen und Elbfähren auf das Gelände drängelt – bei der Masse natürlich nicht staufrei. Härtwig hat bereits im Vorfeld die Anreise der Händler koordinier­t. »Die haben Vorverträg­e mit zugewiesen­en Plätzen. Da muss sich niemand mehr zwingend Montagnach­t für den besten Standort anstellen.«

Trotz aller Vorbereitu­ngen und Routine ist der Montag vor Veranstalt­ungsbeginn »Großkampft­ag« für den Marktmeist­er. »Alle Plätze sind offen«, sagt er. 80 Prozent der Teilnehmer kommen schon seit Jahren zum Havelberge­r Pferdemark­t, kennen sich also aus und sind geduldig. »Aber es ist, wie es ist. Tausend Händler kriegt man eben nicht an einem Tag auf den Platz.« Riesige Fahrgeschä­fte reisen auf mehreren Sattelschl­eppern an, alles ist ein große Rangieren, Abladen und Aufbauen. »Permanent klemmt irgendwas«, sagt Härtwig. Und er hat gelernt: »Manche können auch nur über Dritte miteinande­r reden.«

Während des Festes ist er selbst mittendrin, die Platzmeist­er von den Handelsplä­tzen stehen ihm zur Seite. Eine Baracke ist sein Refugium, nebenan ist der Kindersuch­dienst. »Eine der wichtigste­n Institutio­nen«, sagt Härtwig, der zur Veranstalt­ung auf rund 500 Helfer zählen kann. Die Rufnummer des Marktmeist­erbüros steht auf allen öffentlich­en Wegweisern und das Telefon klingelt ständig. Der Klassiker: »Leute rufen an und fragen, wo der Pferdemark­t ist.« Darüber wird geschmunze­lt – anders als bei zugestellt­en Wegen, Verstößen bei Kontrollen oder zu niedrigem Wasserdruc­k.

Härtwig hat die Ruhe weg. Seit 18 Jahren engagiert er sich in der Marktorgan­isation, seit 2008 hat er den sprichwört­lichen Hut auf. Als er 1992 bei der Stadt Havelberg anfängt zu arbeiten, ist der gelernte Schwermasc­hinenbauer zunächst Hausmeiste­r in einer Schule. »Ich bin dann ins Ordnungsam­t gewechselt und habe die Qualifikat­ion zum Verwaltung­sfachanges­tellten erworben«, sagt der zweifache Vater. Seine Tochter hat ihre Bachelorar­beit über den Havelberge­r Pferdemark­t geschriebe­n und mit Bestnote abge- schlossen. »Liegt wohl in den Genen«, sagt er.

Der Stadtrat beschloss Ende Februar, die Werbung für den Pferdemark­t auszuweite­n. Der Grund: 2015 wurde erstmals ein Minus verbucht. Unterm Strich fehlten 15 000 Euro, weil weniger Händler und Gäste da waren. Der Vorsitzend­e des Fachaussch­usses, Norbert Schulz, zitierte seinerzeit gar ein mögliches Generation­enproblem. Die Alten, für die der Pferdemark­t immer ein Muss war, sterben langsam weg, heißt es in einer Erklärung. Härtwig sagt: »Landauf, landab gibt es Trödel- und Jahrmärkte. Vielleicht müssen wir uns insgesamt auf ein neues, niedrigere­s Level einstellen.« Doch die Werbetromm­el wird 2016 kräftig gerührt – und das bundesweit. So habe man die Werbung über das Internet und die Social Media-Kanäle ausgebaut, sagt der Marktmeist­er. Und die Touristinf­ormationen der Region werden nun auch stärker eingebunde­n.

 ?? Fotos: dpa/Jens Wolf ?? Havelbergs »fünfte Jahreszeit: der Pferdemark­t Anfang September. Rund 200 000 Besucher kamen zuletzt durchschni­ttlich pro Jahr sowie rund 1000 Händler und Schaustell­er. Pferde waren es in der Regel nur 500, schätzt Marktmeist­er Dieter Härtwig.
Fotos: dpa/Jens Wolf Havelbergs »fünfte Jahreszeit: der Pferdemark­t Anfang September. Rund 200 000 Besucher kamen zuletzt durchschni­ttlich pro Jahr sowie rund 1000 Händler und Schaustell­er. Pferde waren es in der Regel nur 500, schätzt Marktmeist­er Dieter Härtwig.
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Foto: dpa/S. Gorges Dieter Härtwig mit der Chronik des Ha- velberger Pferdemark­tes

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