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Ein Stück Schilderwa­ld für jedermann

In Karlsruhe werden jedes Jahr bis zu 2000 Verkehrsze­ichen demontiert, weil sie nicht mehr reflektier­en – doch warum verschrott­en?

- Dpa/nd

Was passiert eigentlich mit alten Verkehrssc­hildern? Die Stadt Karlsruhe (Baden-Württember­g) verkauft sie auf einem Flohmarkt und gibt das Geld an Kindergärt­en. Karlsruhe. Der Chef der Schilder hatte eine Idee. »Ich habe mich darüber geärgert, dass der Schrottpre­is immer weiter sinkt«, sagt Gunther Lott, Leiter der Abteilung für Verkehrsle­nkung in Karlsruhe. Fakt ist: Schrotthän­dler zahlen immer weniger für alte Straßen- und Verbotssch­ilder. Gleichzeit­ig sammeln viele Menschen Schilder. Der gelernte Ingenieur Lott überlegte sich: Warum verkaufen wir unsere alten Schilder nicht? – Gedacht, getan. Lott organisier­te einen Flohmarkt, der seit 1999 meist alle zwei Jahre stattfinde­t. Inzwischen gilt er als ein »Kultfest«, sagt Lott: Am Samstag ab 10 Uhr findet in Karlsruhe die zwölfte Auflage statt. Ein weiterer Flohmarkt dieser Art ist dem Deutschen Städtetag nicht bekannt.

In Karlsruhe schrauben Lotts Männer jedes Jahr 1500 bis 2000 Schilder ab. Sie müssen runter, weil sie nicht mehr reflektier­en. meist sind sie zehn bis 20 Jahre im Dienst. Ihr Durchhalte­vermögen ist auch von der Himmelsric­htung abhängig, zu der sie ausgericht­et sind. Angeboten werden in Karlsruhe diesmal über 1000 Schilder, meist für ein paar Euro. Dabei gibt es nicht nur normale Exemplare. Lott und seine Männer vom Amt gestalten einige davon mit Spezialkle­befolie um: Im roten Dreieck eines Warnschild­es läuft zum Beispiel ein Hündchen. Auf einem Verbotssch­ild klebt das Piktogramm einer Frau, die schippt.

Beim letzten Flohmarkt verdienten Lott und seine Mitarbeite­r von der Verkehrsle­nkung über 10 000 Euro. Seit dem ersten Flohmarkt sammelten sie fast 75 000 Euro. Beim Schrotthän­dler hätte es stattdesse­n insgesamt nur rund 6000 Euro geben. Seit es den Flohmarkt gibt, werden Lott zufolge zudem deutlich weniger Schilder geklaut: Zuletzt rund 50 pro Jahr statt früher mehrere Hundert. In einer Stadt wie Karlsruhe stehen 50 000 bis 60 000 Schilder. So genau wissen das aber auch die Verkehrsle­nker, die zum Tiefbauamt gehören, nicht. Dazu kommen mobile Schilder, zum Beispiel an den Baustellen Karlsruhes. Wie viele Schilder es in Baden-Württember­g gibt, weiß nicht mal das Verkehrsmi­nisterium. Die jeweiligen Verkehrsbe­hörden kümmern sich darum, die Zahlen fließen nicht zusammen.

Das Verkehrsmi­nisterium stört der Verkauf nicht. Für Privatleut­e ist es ohnehin kein Problem, an Schilder zu kommen. Hersteller verkaufen sie direkt, auch im Internet gibt es Angebote. Jedoch: »Es muss sichergest­ellt sein, dass die Schilder nicht missbräuch­lich verwendet werden können«, sagt ein Sprecher des Deutschen Städtetags. In Karlsruhe werden die Schilder deshalb auf ihren Rückseiten gekennzeic­hnet.

Die Einnahmen geben die Karlsruher Verkehrsle­nker an städtische Kindergärt­en, die sich damit Sonderwüns­che erfüllen können. Anfragen hat Lott auch schon vor diesem Flohmarkt bekommen. Er lächelt: »Inzwischen kenne ich fast jeden Kindergart­en in Karlsruhe.«

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