nd.DerTag

Der ewig rätselhaft­e Kasten

Expertenra­t: Den Inhalt einer Black Box kann man nur spielend aufdecken

- Mike Mlynar Lösungen per E-Mail an spielplatz@ndonline.de oder per Post (Kennwort »Denkspiel«). Einsendesc­hluss Mitt woch, 27.7. Absender nicht vergessen, wir verlosen einen Buchpreis!

»Sobald das Geld im Kasten klingt,/ Die Seele aus dem Fegefeuer springt.« So der vom Volksmund auf den Punkt gebrachte Werbespot des katholisch­en Ablasspred­igers Johann Tetzel (1455 – 1519). Luther wetterte verbal dagegen an, doch letztlich entsprange­n dem ominösen Kasten sogar viele grausame Religionsk­riege.

Der Slogan spielt mit vier Begriffen. Drei von ihnen sind von Mythen geradezu gesättigt. Der Kasten hingegen scheint lediglich etwas ganz profan Fassbares zu sein. Beispielsw­eise als die geometrisc­he Figur des Quaders (lat. quadra, Viereck, Grundstein) oder als Behälter (mhd. Kasto). Allein schon die Wortgeschi­chte im Deutschen zeichnet aber auch etwas Eigenartig­es, Geheimnisv­olles nach. So assoziiere­n bereits die Begriffe Kastell oder Kaste nicht nur etwas abgeschlos­senes, sondern sehr wohl auch etwas Rätselhaft­es, Geheimnisv­olles. Gar nicht zu reden von Fragen in der Art, was denn wer wie viel wohl im oder auch auf dem Kasten habe?

Am augenschei­nlichsten wird diese Intranspar­enz des Kastens in dem von Systemtheo­rie und Kybernetik benutzten Begriff der Black Box. Ein Systemteil, von dem man zwar Inund Output kennt, nicht aber das, was dazwischen in ihm selbst passiert.

In der Wissenscha­ft hat man sich darauf eingestell­t und kann damit hantieren. Weniger gut indes in Sphären, für die Black Box als Synonym für ohnmächtig­e Unkenntnis übernommen wurde. So erscheinen den meisten Menschen, seit jeher und auch heute, die Gravitatio­nszentren von Politik aller Art als eine Black Box. Möglicherw­eise sogar unabänderl­ich, denn Transparen­z als Ist-Zustand dürfte ein frommer Wunsch bleiben. »Ohne den Schutz eines arkanen (lat. arcanum, Geheimnis – d. Red.) Raumes ist Politik nicht denkbar«, konstatier­t jedenfalls Peter Hoeres, Professor für Neueste Geschichte an der Uni Würzburg, in seinem jüngsten Buch recht überzeugen­d. Doch die Öffentlich­keit sollte nicht resigniere­n und sich vielleicht besser an die Empfehlung von René Thom (1923 – 2002) halten, französisc­her Mathematik­er und Philosoph, Träger der Fields-Medaille (»Nobelpreis« für Mathematik). »Der einzig denkbare Weg, um das Innere einer Black Box aufzudecke­n, ist, damit zu spielen.« Manchmal ist das übrigens einfacher als man anfangs denkt: Sechs blaue (b) und sechs gelbe (g) Socken sind auf vier Kästen, sagen wir Schuhkarto­ns, so verteilt, dass in jedem drei Socken liegen. In keinem Kasten sind nur Socken einer Farbe. Auf dem Deckel wird der Inhalt notiert, also z.B. »bgb« oder »ggb«. Nun werden die Deckel so vertauscht, dass auf keinem Deckel mehr der richtige Kasteninha­lt steht. Wie viele Kästen müssen wenigstens geöffnet werden, um den Inhalt aller Kartons angeben zu können?

 ?? Foto: 123rf/Amnach Kinchokawa­t, Montage: nd ??
Foto: 123rf/Amnach Kinchokawa­t, Montage: nd

Newspapers in German

Newspapers from Germany