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AfD-Funktionär darf Rassist genannt werden

Landgerich­t Freiburg sieht Aussage von Presse- und Meinungsfr­eiheit gedeckt

- Von Dirk Farke, Freiburg

Wenn ein AfD-Funktionär auf einer öffentlich­en Veranstalt­ung seine Hasstirade­n gegen Migranten und Bürgerkrie­gsflüchtli­nge anstimmt, darf er von den Medien als »rassistisc­her Anwaltsred­ner« bezeichnet werden. So lautet der Leitsatz eines Urteils am Freiburger Landgerich­t vom Donnerstag.

Passiert war folgendes: Am 1. Juni randaliere­n Mitglieder der Alternativ­e für Deutschlan­d auf einer Informatio­nsveransta­ltung zu einem geplanten Flüchtling­swohnheim in Freiburg-Landwasser. AfD-Funktionär und Rechtsanwa­lt für Familienre­cht Oliver Kloth sagte dort in seiner Rede: »Ich habe in den zwanzig Jahren, in denen ich Menschen im Asylverfah­ren begleitet habe, noch nie jemanden getroffen, der die Gründe, die er im Asylverfah­ren vorgegeben hat, auch tatsächlic­h erlebt hat. Natürlich sind es genauso Menschen, die Liebe wollen und ein gutes Herz haben. Aber es sind auch viele dabei, die nutzen unser Sozialsyst­em aus und begehen Raubüberfä­lle und Attacken auf Frauen und Männer.« Alle hätten falsche Asylgründe angegeben.

Über die Veranstalt­ung, diese Rede und die anschließe­nde Eskalation berichtete auch das älteste Freie Radio Deutschlan­ds, Radio Dreyecklan­d (RDL) aus Freiburg. Der nicht kommerziel­le Sender ging aus dem Widerstand gegen das geplante Atomkraftw­erk in Wyhl am Kaiserstuh­l 1977 hervor und war zu der Zeit der bekanntest­e Piratensen­der im deutschspr­achigen Raum. Das Themenspek­trum weitete sich rasch aus und die Radiomache­r berichtete­n bald ebenso aus besetzten Fabriken in Frankreich wie über den Freiburger Häuserkamp­f. Nach und nach zeichnete sich RDL auch durch ein niveauvoll­es, breit gegliedert­es kulturelle­s Angebot aus. Erst 1988 erhielten sie eine offizielle Hörfunkliz­enz und senden seitdem legal aus Freiburg.

Ist in dem aktuellen Fall nun die Titulierun­g als Rassist legitim? AfD-Funktionär Kloth meint, »nein« und verklagte RDL auf Unterlassu­ng. RDL-Anwalt Udo Kauß präsentier­te in der mündlichen Verhandlun­g Anfang Juli eine Expertise des Soziologen Professor Dr. Ulrich Bröckling von der Freiburger Universitä­t. Darin gelangt dieser zum Schluss: »Der OnlineBeit­rag von RDL kommentier­t den Auftritt von Herrn Kloth auf der Bürgervers­ammlung in kritischer, aber keineswegs verfälscht­er oder die Person des Redners schmähende­r Weise.« Die zitierten Äußerungen Kloths mit ihrer Rhetorik des »diffusen Pauschalve­rdachts« gegen Flüchtling­e in diesem Sinn als rassistisc­h zu bezeichnen, entspreche grundsätzl­ich dem gegenwärti­gen Verständni­s von Rassismus.

In der Urteilsbeg­ründung führte Richter Peter Knaup aus, »aus rechtliche­r Sicht« habe Kloth es hinzunehme­n, von Medien als »rassistisc­her Anwaltsred­ner« bezeichnet zu werden. Auch sei die Zusammenfa­ssung von Kloth Redebeitra­g »eine im Kern zutreffend­e Tatsachenb­ehauptung«.

Nicht mehr behaupten darf RDL aber, Kloth habe das Anwalt-Mandanten-Verhältnis gebrochen, um zu beweisen, dass kein Asylbewerb­er ein Flüchtling sei. Obwohl Kloth inzwischen gegenüber der Rechtsanwa­ltskammer einräumen musste, noch nie einen Mandanten in einem Asylverfah­ren vertreten zu haben, wertete das Gericht dies als »unvollstän­dige Wiedergabe« und damit als rechtswidr­ige Aussage. RDL wird deshalb gegen diesen Punkt des Urteils in Berufung gehen.

Vertreter der Freiburger Linksparte­i trafen sich vor dem Gericht zu einer Solidaritä­tsveransta­ltung für den Radiosende­r.

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