Grüne wollen nicht mit Farben spielen
Silke Gajek: Koalitionsaussagen wären zurzeit reine Spekulation – auch ohne »Fukushima-Effekt« ins Parlament?
Bleiben die Grünen in Mecklenburg-Vorpommerns Parlament? Und wenn ja – wieder in der Opposition oder innerhalb einer rotrot-grünen Regierung? Lange Zeit schienen die Grünen in Mecklenburg-Vorpommern selbst zu einer Klientel zu zählen, für die sie sich engagieren: zu den bedrohten Arten, zu Exoten im Politwald des Nordostens. Dümpelte die Ökopartei doch unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde herum, die vor dem Einzug ins Schweriner Schloss überwunden werden muss. So rangierten die Bewerber mit der Sonnenblumenfahne etwa bei der Landtagswahl 2002 mit 2,6 Prozent der Stimmen »unter ferner liefen«, wurden auch 2006 enttäuscht, als sie mit 3,4 Prozent auf den Zuhörerstühlen des Parlaments bleiben mussten. Von dort ins Plenum umziehen durften sie mit sieben Abgeordneten erstmals 2011 dank überraschender 8,7 Prozent der Wählerstimmen.
Ein Fukushima-Effekt? Im März jenes Jahres war der japanische Atom- reaktor explodiert, die Nuklearkatastrophe hatte die Kritik an der Atomkraft belebt und viele Menschen wach gerüttelt, die sich zuvor gleichgültig gegenüber der umstrittenen Stromerzeugung gezeigt hatten. Womöglich sahen sie in den Grünen diejenige Kraft, bei der Ängste und Bedenken rund um die strahlende Gefahr am besten aufgehoben sind.
Ist nun mit der Strahlung in Fukushima auch die Hoffnung der Grünen auf ein gleich gutes Wahlergebnis wie 2011 ein wenig abgeklungen? Sieben Prozent sagt ihnen die jüngste Umfrage zur Landtagswahl voraus. Wieder auf dem Weg zu den bedrohten Arten im Politdschungel?
Keineswegs, meint Silke Gajek, Landtagsvizepräsidentin und Spitzenkandidatin ihrer Partei. Das gute Wahlergebnis seinerzeit sei wohl auch auf das Geschehen von Fukushima zurückzuführen, aber nicht nur. »Es war an der Zeit, dass wir mit im Parlament sitzen, und das haben auch die Wählerinnen und Wähler erkannt«, unterstreicht die Politikerin im Gespräch mit »nd«. Und dass die Prognose den Grünen derzeit »nur« sieben Prozent zuspricht, bereite ihr keine Sorgen. »Ich hoffe aber, dass es noch ein bisschen mehr wird«, blickt Gajek dem 4. September entgegen. Sorge machen ihr eher die 19 Stimmenprozente, die der AfD vorhergesagt wer- den. Diese Partei zu »enttarnen«, sei eine wesentliche Aufgabe im Wahlkampf der Grünen.
Darüber hinaus wollen sie vermitteln, was sie in den vergangenen fünf Jahren im Landtag geleistet haben. Dazu gibt es viele Beispiele, hebt Silke Gajek hervor, und nennt eines: Der Fraktion sei es mit zu verdanken, dass Asbestmüll aus Niedersachsen, der in Mecklenburg-Vorpommern deponiert werden sollte, nicht ins Land gebracht werden durfte. Ein anderes Stück Oppositionsarbeit sei die Diskussion um die Herabsetzung des Wahlalters. »Wir haben das in Gang gesetzt, aber die Sache ist an der CDU gescheitert«, bedauert die Abgeordnete.
Aus den Reihen der Unionspolitiker scheint ihr besonders Innenminister Lorenz Caffier im Magen zu liegen: »Er schrammt, was den Umgang mit Flüchtlingen angeht, hart am rechten Rand vorbei.« Wie ein »Abschiebungslandesmeister« sei er aufgetreten, sagt Gajek und verneint damit zugleich die Frage, ob sie sich Caffier als Regierungschef vorstellen kann.
Immerhin sagt die Umfrage der CDU das beste Ergebnis voraus: 25 Prozent der Wählerstimmen. Die SPD dagegen, 2006 noch mit über 35 Prozent an der Spitze, ist in der Prognose auf 22 Prozent gerutscht. Sie könne sich allerdings nicht vorstellen, dass Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) als Juniorpartner in einer schwarz-roten Koalition mitmachen wird, betont Silke Gajek.
Und mit wem möchte ihre Partei koalieren? Mitwirken in einem rot-rotgrünen Regierungsbündnis? Solche »Farbenspiele« mag die Topkandidatin gar nicht, gibt sie zu verstehen. Aber ihr Mit-Spitzenkandidat und Fraktionsvorsitzender Jürgen Suhr hatte doch vor etwa einem Jahr bekundet, für ihn sei auch eine Koalition mit SPD und LINKEN nicht ausgeschlossen? »Möglich ist das«, räumt Gajek ein, fügt aber sogleich hinzu: »Es wäre unseriös, jetzt über irgendwelche Zusammensetzungen zu spekulieren.«
Ob Silke Gajek mit offenen Armen auf die LINKE zugehen würde, scheint mehr als fraglich, sagt sie doch: Die Linkspartei müsse erst mal in mehreren Bereichen »ihre Hausaufgaben machen«. Aber: »Wenn wir gefordert werden und bündnisgrüne Inhalte umsetzen können, stehen wir für Verantwortung zur Verfügung«, umschreibt die Politikerin die Bereitschaft der Grünen, auf der Regierungsbank Platz zu nehmen. Ihre Grundsätze allerdings werde die Partei »der Macht halber« nicht aufgeben, betont die Kandidatin.