Nach dem Feuer in die Turnhalle
Geflüchtete müssen nach Köpenick umziehen/ Rassisten plakatieren vor Containern
Der Pankower Stadtteil Buch gilt schon länger als Hochburg der NPD. Nach dem Brandanschlag am Montag hängte sie weitere fremdenfeindliche Plakate auf. Kinder spielen auf dem Spielplatz, Jugendliche liegen auf der Wiese in der Sonne, telefonieren oder unterhalten sich. Vor der Flüchtlingsunterkunft in Buch sieht es am Dienstagmittag aus wie an einem normalen Tag. Doch am Montagmorgen war ein Brandanschlag auf die Unterkunft ausgeübt worden. Sechs Menschen erlitten eine Rauchvergiftung, Schlimmeres wurde verhindert.
Nun bedeckt schwarzer Ruß einen Teil der Container. Direkt davor hängten NPD-Politiker am Montag Wahlplakate an eine Laterne: »Deutschland uns Deutschen«, steht auf einem. Auch in anderen Teilen des Bezirks hängen auffällig viele Plakate der rechtsextremen Partei. Auf ihnen wechselt sich unverhohlener Rassismus mit Geschmacklosigkeit ab. »Guten Heimflug«, heißt es auf einem Plakat, auf dem Menschen auf einem fliegenden Teppich zu sehen sind. Auf anderen lacht der ehemalige Bun- desvorsitzende und jetzige EuropaAbgeordnete Udo Voigt den Passantinnen und Passanten unter der Überschrift »Gas geben!« entgegen.
Noch ist das Motiv für den Anschlag unklar, die Täter oder Täterinnen nicht gefasst. Ein Anwohner, der seinen Namen nicht nennen möchte, vermutet, dass Rechte dahinter stecken. »Es gibt hier ’ne rechte Szene. Die haben doch vor dem Bau schon Krawall gemacht.« Dass sich jemand im Haus ungeschickt angestellt hat, hält er für »sehr unwahrscheinlich«. Über die Geflüchteten sagt er: »Das sind friedliche Leute.«
Während der Mann erzählt, sind im Hintergrund laute Worte zu hören: »Passt auf, dass ihr nicht als Nächste brennt«, ruft ein junger Mann einigen Bewohnerinnen und Bewohnern zu und verschwindet. »Wenn das tatsächlich ein rechtsradikaler Anschlag war, wäre das nicht gerade überraschend«, findet auch Manfred Nowak, Sprecher des Heimbetreibers AWO-Mitte. Buch stehe schon länger »im Fokus von Rechten«. Beispielsweise seien Flaschen gegen die Unterkunft geworfen worden. »Wir haben oft mit den Bewohnern darüber gesprochen, auch, damit sie Bescheid wissen.« Glücklicherweise gebe es in der Ge- gend auch ein »gutes Netzwerk ehrenamtlicher Unterstützer«.
Rund 180 Bewohner des Heim in Buch mussten noch am gleichen Tag umziehen. Im Bezirk wurde auf die Schnelle keine geeignete Unterkunft gefunden. Stattdessen ging es für die Menschen schließlich in eine Notunterkunft in der Glienicker Straße in Treptow-Köpenick. »Der Umzug von einer Gemeinschaftsunterkunft zurück in eine Erstaufnahmestelle ist hochproblematisch«, sagt Heimleiter André Fritsche dem »neuen deutschland«. Der holte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus dem Urlaub zurück, um Betten für die Neuankömmlinge aufzubauen. »Die Bewohner haben ihre Betten zur Seite gerückt. Sie haben Verständnis für die Situation«, sagt Fritsche.
Für die Geflüchteten aus Buch ist die Umstellung jedoch schwierig. »Das sind Menschen, die schon sehr integriert sind«, sagt der Heimleiter. In der neuen Unterkunft müssen sie viele Abstriche machen: Anstatt in richtigen Zimmern leben sie jetzt mit über 300 anderen in zwei großen Hallen, Privatsphäre gibt es praktisch nicht. Unzufrieden darüber ist der 23-jährige Irfan Yousaf. »Mein altes Heim war sehr gut. Es gab Internet und Waschmaschinen, Fahrräder und eine Schule in der Nähe«, sagt er. »Aber das hier ist kein Heim, das ist ein Sporthalle.« Der Heimleiter zeigt Verständnis: »Für die Bewohner ist es eine Katastrophe«, sagt Fritsche. Wann die Betroffenen zurück in ihre Unterkunft in Buch können, ist noch unklar. Bis die Schäden des Brands beseitigt sind, werden vermutlich mehrere Wochen vergehen.
Am Montagabend kam es in Adlershof zu einem weiteren Anschlag auf ein Flüchtlingsheim. Ein Feuerwerkskörper wurde durch ein Fenster geworfen, der Teppich leicht beschädigt. Zu weiteren Schäden kam es nicht. Der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz übernahm die Ermittlungen.
Sozialsenator Mario Czaja (CDU) vermutet hinter beiden Anschlägen fremdenfeindliche Motive. »Hier wird ganz bewusst der Tod von Menschen in Kauf genommen«, sagte Czaja. »Dies sind nicht nur Angriffe auf Leib und Leben der Geflüchteten, sie zielen auch auf unseren sozialen Zusammenhalt.« 36 Gewalttaten gegen Flüchtlinge und deren Unterkünfte zählte die Polizei im ersten Halbjahr. Das sind dreimal so viele wie im Vorjahreszeitraum. Schwerpunkte rechter Gewalt waren Treptow-Köpenick, Mitte und Marzahn-Hellersdorf.