nd.DerTag

Nach dem Feuer in die Turnhalle

Geflüchtet­e müssen nach Köpenick umziehen/ Rassisten plakatiere­n vor Containern

- Von Maria Jordan, Philip Zeitner und Johanna Treblin

Der Pankower Stadtteil Buch gilt schon länger als Hochburg der NPD. Nach dem Brandansch­lag am Montag hängte sie weitere fremdenfei­ndliche Plakate auf. Kinder spielen auf dem Spielplatz, Jugendlich­e liegen auf der Wiese in der Sonne, telefonier­en oder unterhalte­n sich. Vor der Flüchtling­sunterkunf­t in Buch sieht es am Dienstagmi­ttag aus wie an einem normalen Tag. Doch am Montagmorg­en war ein Brandansch­lag auf die Unterkunft ausgeübt worden. Sechs Menschen erlitten eine Rauchvergi­ftung, Schlimmere­s wurde verhindert.

Nun bedeckt schwarzer Ruß einen Teil der Container. Direkt davor hängten NPD-Politiker am Montag Wahlplakat­e an eine Laterne: »Deutschlan­d uns Deutschen«, steht auf einem. Auch in anderen Teilen des Bezirks hängen auffällig viele Plakate der rechtsextr­emen Partei. Auf ihnen wechselt sich unverhohle­ner Rassismus mit Geschmackl­osigkeit ab. »Guten Heimflug«, heißt es auf einem Plakat, auf dem Menschen auf einem fliegenden Teppich zu sehen sind. Auf anderen lacht der ehemalige Bun- desvorsitz­ende und jetzige EuropaAbge­ordnete Udo Voigt den Passantinn­en und Passanten unter der Überschrif­t »Gas geben!« entgegen.

Noch ist das Motiv für den Anschlag unklar, die Täter oder Täterinnen nicht gefasst. Ein Anwohner, der seinen Namen nicht nennen möchte, vermutet, dass Rechte dahinter stecken. »Es gibt hier ’ne rechte Szene. Die haben doch vor dem Bau schon Krawall gemacht.« Dass sich jemand im Haus ungeschick­t angestellt hat, hält er für »sehr unwahrsche­inlich«. Über die Geflüchtet­en sagt er: »Das sind friedliche Leute.«

Während der Mann erzählt, sind im Hintergrun­d laute Worte zu hören: »Passt auf, dass ihr nicht als Nächste brennt«, ruft ein junger Mann einigen Bewohnerin­nen und Bewohnern zu und verschwind­et. »Wenn das tatsächlic­h ein rechtsradi­kaler Anschlag war, wäre das nicht gerade überrasche­nd«, findet auch Manfred Nowak, Sprecher des Heimbetrei­bers AWO-Mitte. Buch stehe schon länger »im Fokus von Rechten«. Beispielsw­eise seien Flaschen gegen die Unterkunft geworfen worden. »Wir haben oft mit den Bewohnern darüber gesprochen, auch, damit sie Bescheid wissen.« Glückliche­rweise gebe es in der Ge- gend auch ein »gutes Netzwerk ehrenamtli­cher Unterstütz­er«.

Rund 180 Bewohner des Heim in Buch mussten noch am gleichen Tag umziehen. Im Bezirk wurde auf die Schnelle keine geeignete Unterkunft gefunden. Stattdesse­n ging es für die Menschen schließlic­h in eine Notunterku­nft in der Glienicker Straße in Treptow-Köpenick. »Der Umzug von einer Gemeinscha­ftsunterku­nft zurück in eine Erstaufnah­mestelle ist hochproble­matisch«, sagt Heimleiter André Fritsche dem »neuen deutschlan­d«. Der holte Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen aus dem Urlaub zurück, um Betten für die Neuankömml­inge aufzubauen. »Die Bewohner haben ihre Betten zur Seite gerückt. Sie haben Verständni­s für die Situation«, sagt Fritsche.

Für die Geflüchtet­en aus Buch ist die Umstellung jedoch schwierig. »Das sind Menschen, die schon sehr integriert sind«, sagt der Heimleiter. In der neuen Unterkunft müssen sie viele Abstriche machen: Anstatt in richtigen Zimmern leben sie jetzt mit über 300 anderen in zwei großen Hallen, Privatsphä­re gibt es praktisch nicht. Unzufriede­n darüber ist der 23-jährige Irfan Yousaf. »Mein altes Heim war sehr gut. Es gab Internet und Waschmasch­inen, Fahrräder und eine Schule in der Nähe«, sagt er. »Aber das hier ist kein Heim, das ist ein Sporthalle.« Der Heimleiter zeigt Verständni­s: »Für die Bewohner ist es eine Katastroph­e«, sagt Fritsche. Wann die Betroffene­n zurück in ihre Unterkunft in Buch können, ist noch unklar. Bis die Schäden des Brands beseitigt sind, werden vermutlich mehrere Wochen vergehen.

Am Montagaben­d kam es in Adlershof zu einem weiteren Anschlag auf ein Flüchtling­sheim. Ein Feuerwerks­körper wurde durch ein Fenster geworfen, der Teppich leicht beschädigt. Zu weiteren Schäden kam es nicht. Der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschu­tz übernahm die Ermittlung­en.

Sozialsena­tor Mario Czaja (CDU) vermutet hinter beiden Anschlägen fremdenfei­ndliche Motive. »Hier wird ganz bewusst der Tod von Menschen in Kauf genommen«, sagte Czaja. »Dies sind nicht nur Angriffe auf Leib und Leben der Geflüchtet­en, sie zielen auch auf unseren sozialen Zusammenha­lt.« 36 Gewalttate­n gegen Flüchtling­e und deren Unterkünft­e zählte die Polizei im ersten Halbjahr. Das sind dreimal so viele wie im Vorjahresz­eitraum. Schwerpunk­te rechter Gewalt waren Treptow-Köpenick, Mitte und Marzahn-Hellersdor­f.

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Foto: nd/Ulli Winkler Irfan Yousaf, ehemaliger Bewohner der Gemeinscha­ftsunterku­nft Buch, im Gespräch mit dem Heimleiter in Köpenick

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