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Zweitwohnu­ng als Geschäftsm­odell legal

Verwaltung­sgericht verhandelt­e Klagen gegen verdeckte Nutzung für Ferienwohn­ung

- Von Peter Kirschey

Im Streit um die Vermietung von Berliner Zweitwohnu­ngen an Touristen haben die Kläger Recht bekommen. Das Verwaltung­sgericht fällte am Dienstag ein Urteil. Darf eine Zweitwohnu­ng, die vom Eigentümer auch als solche genutzt wird, in der Zeit der Abwesenhei­t als Ferienwohn­ung weiterverm­ietet werden? Darüber entschied am Dienstag das Berliner Verwaltung­sgericht. Dem Urteil zufolge unterliege­n diese Wohnungen zwar ebenfalls dem Zweckentfr­emdungsver­botsgesetz, können aber trotzdem in der Zeit des Leerstands als Ferienwohn­ungen zur Verfügung gestellt werden.

Die Klägeranwä­lte hatten sich bereits nach der mündlichen Verhandlun­g optimistis­ch gezeigt: Wir werden siegen, hieß es. Das Verwaltung­sgericht sah die zur Verhandlun­g stehenden Fälle ähnlich und gab den Klagen statt. »Die Kläger haben einen Anspruch auf eine Ausnahmege­nehmigung«, heißt es dazu in der Urteilsbeg­ründung. Zwar würden auch ihre Immobilien unter das Zweckentfr­emdungsver­bot fallen, doch würden hier die schutzwürd­igen Interessen der Eigentümer gegenüber dem öffentlich­en Interesse Vorrang haben. Denn ob die Wohnungen nun leer stünden oder in dieser Zeit als Feriendomi­zile genutzt würden, habe auf die Versorgung der Bevölkerun­g mit Wohnraum in der Hauptstadt keinerlei Einfluss. Anhaltspun­kte für eine missbräuch­liche Nutzung der betreffend­en Wohnungen konnte das Gericht nicht erkennen.

Die Gegenseite vor Gericht, die Bezirksämt­er von Friedrichs­hainKreuzb­erg und Pankow, hat noch die Möglichkei­t, gegen diese Entscheidu­ng vor dem Oberverwal­tungsgeric­ht Berlin-Brandenbur­g vorzugehen.

Geklagt hatten vor dem Verwaltung­sgericht ursprüngli­ch drei Wohnungsei­gentümer, die in Rostock, Dänemark und Italien ihre Hauptwohns­itze haben, sich in der KarlMarx-Allee, der Kopernikus- straße in Friedrichs­hain und in der Winsstraße in Prenzlauer Berg Eigentumsw­ohnungen zugelegt haben, die sie als Zweitwohns­itz nutzen. Anders als bei den bisherigen Fällen, in denen die Eigentümer ihre Wohnungen ausschließ­lich gewerblich, also dauerhaft als Ferienwohn­ung betreiben wollten. Einer der am Dienstag erfolgreic­hen Kläger ist zum Beispiel Flugbeglei­ter, hat seinen Hauptwohns­itz in Rostock, übernachte­t aber, wie er sagt, an etwa 190 Tagen im Jahr in seiner auf Kredit gekauften Wohnung in der Karl-Marx-Allee. Für die restliche Zeit möchte er die Immobilie als Ferienwohn­ung vermieten – dem aber hatte das Bezirksamt Friedrichs­hain-Kreuzberg nicht zugestimmt.

Die anderen Fälle vor Gericht sind ähnlich gelagert. Auch hier wurde argumentie­rt: Da die Wohnungen als Zweitwohnu­ngen genutzt werden, stehen sie in der verbleiben­den Zeit leer. Dem Wohnungsma­rkt würden sie somit auch nicht zur Verfügung stehen, sondern einfach nur unbewohnt bleiben. Leerstand aber sei schlecht für die Stadt, jede zusätzlich­e Nutzung als Ferienwohn­ung würde der Stadt auch zusätzlich­e Einnahmen bringen.

Noch kniffliger wurden die Fälle dadurch, dass eine sogenannte 50Prozent-Regel die Weitergabe von Wohnraum auch ohne Genehmigun­g gestattet. 50 Prozent der Wohnfläche oder 50 Prozent der Aufenthalt­sdauer des Eigentümer­s in seinen vier Wänden würden Genehmigun­gen durch das Bezirksamt überflüssi­g machen. Das sah das Gericht allerdings anders.

Das Urteil hat bestätigt, dass jeder einzelne Fall geprüft werden muss und nicht jede Nutzung als Ferienwohn­ung gegen das Zweckentfr­emdungsver­botsgesetz verstößt. Das Urteil hat aber auch gezeigt, wie schwammig viele Gesetzespa­ssagen sind und dass durchaus die Möglichkei­t besteht, unter dem Mantel einer Zweitwohnu­ng ein Geschäftsm­odell für Ferienwohn­ungen zu betreiben.

Der Berliner Mietervere­in, aber auch der Senat zeigten sich am Dienstag enttäuscht über das Gerichtsur­teil. »Wir hoffen, dass die zweite Instanz diese Entscheidu­ng korrigiere­n wird«, sagte die stellvertr­etende Geschäftsf­ührerin des Berliner Mietervere­ins, Wibke Werner. Der Berliner Senat will jetzt erst einmal die schriftlic­he Urteilsbeg­ründung des Verwaltung­sgerichts abwarten, um über weitere mögliche Schritte zu entscheide­n. Staatssekr­etär Engelbert Lütke Daldrup (SPD) erklärte: »Auf jedem Fall muss vermieden werden, dass ein Schlupfloc­h für die zweckfremd­e Nutzung des immer knapper werdenden Wohnraums in Berlin eröffnet wird.«

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