Zweitwohnung als Geschäftsmodell legal
Verwaltungsgericht verhandelte Klagen gegen verdeckte Nutzung für Ferienwohnung
Im Streit um die Vermietung von Berliner Zweitwohnungen an Touristen haben die Kläger Recht bekommen. Das Verwaltungsgericht fällte am Dienstag ein Urteil. Darf eine Zweitwohnung, die vom Eigentümer auch als solche genutzt wird, in der Zeit der Abwesenheit als Ferienwohnung weitervermietet werden? Darüber entschied am Dienstag das Berliner Verwaltungsgericht. Dem Urteil zufolge unterliegen diese Wohnungen zwar ebenfalls dem Zweckentfremdungsverbotsgesetz, können aber trotzdem in der Zeit des Leerstands als Ferienwohnungen zur Verfügung gestellt werden.
Die Klägeranwälte hatten sich bereits nach der mündlichen Verhandlung optimistisch gezeigt: Wir werden siegen, hieß es. Das Verwaltungsgericht sah die zur Verhandlung stehenden Fälle ähnlich und gab den Klagen statt. »Die Kläger haben einen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung«, heißt es dazu in der Urteilsbegründung. Zwar würden auch ihre Immobilien unter das Zweckentfremdungsverbot fallen, doch würden hier die schutzwürdigen Interessen der Eigentümer gegenüber dem öffentlichen Interesse Vorrang haben. Denn ob die Wohnungen nun leer stünden oder in dieser Zeit als Feriendomizile genutzt würden, habe auf die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum in der Hauptstadt keinerlei Einfluss. Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Nutzung der betreffenden Wohnungen konnte das Gericht nicht erkennen.
Die Gegenseite vor Gericht, die Bezirksämter von FriedrichshainKreuzberg und Pankow, hat noch die Möglichkeit, gegen diese Entscheidung vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vorzugehen.
Geklagt hatten vor dem Verwaltungsgericht ursprünglich drei Wohnungseigentümer, die in Rostock, Dänemark und Italien ihre Hauptwohnsitze haben, sich in der KarlMarx-Allee, der Kopernikus- straße in Friedrichshain und in der Winsstraße in Prenzlauer Berg Eigentumswohnungen zugelegt haben, die sie als Zweitwohnsitz nutzen. Anders als bei den bisherigen Fällen, in denen die Eigentümer ihre Wohnungen ausschließlich gewerblich, also dauerhaft als Ferienwohnung betreiben wollten. Einer der am Dienstag erfolgreichen Kläger ist zum Beispiel Flugbegleiter, hat seinen Hauptwohnsitz in Rostock, übernachtet aber, wie er sagt, an etwa 190 Tagen im Jahr in seiner auf Kredit gekauften Wohnung in der Karl-Marx-Allee. Für die restliche Zeit möchte er die Immobilie als Ferienwohnung vermieten – dem aber hatte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg nicht zugestimmt.
Die anderen Fälle vor Gericht sind ähnlich gelagert. Auch hier wurde argumentiert: Da die Wohnungen als Zweitwohnungen genutzt werden, stehen sie in der verbleibenden Zeit leer. Dem Wohnungsmarkt würden sie somit auch nicht zur Verfügung stehen, sondern einfach nur unbewohnt bleiben. Leerstand aber sei schlecht für die Stadt, jede zusätzliche Nutzung als Ferienwohnung würde der Stadt auch zusätzliche Einnahmen bringen.
Noch kniffliger wurden die Fälle dadurch, dass eine sogenannte 50Prozent-Regel die Weitergabe von Wohnraum auch ohne Genehmigung gestattet. 50 Prozent der Wohnfläche oder 50 Prozent der Aufenthaltsdauer des Eigentümers in seinen vier Wänden würden Genehmigungen durch das Bezirksamt überflüssig machen. Das sah das Gericht allerdings anders.
Das Urteil hat bestätigt, dass jeder einzelne Fall geprüft werden muss und nicht jede Nutzung als Ferienwohnung gegen das Zweckentfremdungsverbotsgesetz verstößt. Das Urteil hat aber auch gezeigt, wie schwammig viele Gesetzespassagen sind und dass durchaus die Möglichkeit besteht, unter dem Mantel einer Zweitwohnung ein Geschäftsmodell für Ferienwohnungen zu betreiben.
Der Berliner Mieterverein, aber auch der Senat zeigten sich am Dienstag enttäuscht über das Gerichtsurteil. »Wir hoffen, dass die zweite Instanz diese Entscheidung korrigieren wird«, sagte die stellvertretende Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins, Wibke Werner. Der Berliner Senat will jetzt erst einmal die schriftliche Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichts abwarten, um über weitere mögliche Schritte zu entscheiden. Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup (SPD) erklärte: »Auf jedem Fall muss vermieden werden, dass ein Schlupfloch für die zweckfremde Nutzung des immer knapper werdenden Wohnraums in Berlin eröffnet wird.«