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Jeden Sommer wieder: arbeitslos

GEW: Befristung­sunwesen für Lehrer in Hessen stoppen

- Von Hans-Gerd Öfinger

Während die meisten Schüler und Lehrer in den großen Ferien für das neue Schuljahr Kraft tanken können, haben bundesweit viele Tausend Lehrkräfte mit befristete­n Arbeitsver­trägen in diesen Sommerwoch­en ganz andere Sorgen. So weist die Bildungsge­werkschaft GEW im schwarz-grün regierten Hessen auf ein Problem hin, das auch in anderen Bundesländ­ern zum Alltag gehört. Wie schon in den Vorjahren müssen sich viele der als Vertretung­skräfte eingesetzt­en Pädagogen in diesen Wochen arbeitslos melden, weil ihr befristete­r Arbeitsver­trag mit dem Ende des Schuljahre­s ausgelaufe­n ist. Die meisten sind jüngere Lehrkräfte bis zu 35 Jahren.

Für sie ist die Sommerpaus­e keine unbeschwer­te Urlaubszei­t, sondern sie bedeutet ein Wechselbad der Gefühle. Zwar können viele nach Ferienende wieder mit einer befristete­n Weiterbesc­häftigung rechnen oder haben den entspreche­nden Anschlussv­ertrag bereits in der Tasche. Doch für die Ferienzeit gehen sie finanziell leer aus. Denn wer keine früheren Beschäftig­ungszeiten nachweisen kann und im zurücklieg­enden Schuljahr nur maximal elf Monate lang beim Kultusmini­sterium in Lohn und Brot stand, hat dabei nicht einmal Anspruch auf Arbeitslos­engeld I, das erst bei mindestens zwölf Beschäftig­ungsmonate­n greift. So bleibt nur der Antrag auf Hartz IV oder der Rückgriff auf Erspartes.

Diese Zustände seien »unerträgli­ch« und eine »Zumutung«, kritisiert Hessens GEW-Landesvors­itzende Birgit Koch. Hessen habe hier im bundesweit­en Vergleich der Länder den dritten Platz eingenomme­n. Eine aktuelle amtliche Zahl für den Sommer 2016 liegt noch nicht vor. Vor Jahresfris­t lag der entspreche­nde Wert für Hessen bei rund 1000 saisonal arbeitslos­en Lehrern. Die GEW verlangt eine ununterbro­chene Weiterzahl­ung der Gehälter für die Vertretung­slehrer. Dies sei dringend geboten, um das Land für Fachperson­al attraktiv zu halten.

Vertretung­slehrer werden vielfach dann eingesetzt, wenn verbeamtet­e Lehrer aufgrund von längerer Krankheit oder Elternzeit für einen längeren Zeitraum ausfallen. Die Beamten hätten aber auf jeden Fall ein Rückkehrre­cht und somit Vorrang vor den Vertretung­skräften, argumentie­rt das hessische Kultusmini­sterium. Die Landesregi­erungen verweisen stets auf den Zwang der »Schuldenbr­emse«, die GEW spricht von einem »Missbrauch der Sozialkass­en« durch die Länder.

Ähnliche Zustände herrschen auch in Hamburg. Hier sind nach Angaben des Senats der Hansestadt mit Beginn der Sommerferi­en 1362 befristete Verträge mit Lehrern ausgelaufe­n, gut 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Dies sei »unsozial und verantwort­ungslos«, so die Bürgerscha­ftsabgeord­nete Sabine Boeddingha­us (LINKE).

Auch in Baden-Württember­g, das als »Spitzenrei­ter« bei der saisonalen Lehrerarbe­itslosigke­it gilt, sind in diesen Ferienwoch­en knapp 3900 befristet angestellt­e Lehrer sowie rund 4800 Referendar­e betroffen. Nach GEW-Angaben sind dies deutlich mehr als in den Vorjahren.

Auch die Lehrergewe­rkschaft in Baden-Württember­g fordert eine Änderung dieser Praxis und verweist auf eine anhaltende Abwanderun­g von Fachkräfte­n in andere Bundesländ­er und in die benachbart­e Schweiz. Es sei zudem besonders absurd, ausgerechn­et Lehrer, die sich in Flüchtling­sklassen engagiert um Integratio­n bemühten, über den Sommer zu entlassen, so die GEW.

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