Es bleibt beim Straferlass durch die EU
Defizitstrafen der EU gegen Spanien und Portugal sind seit Dienstag definitiv vom Tisch. Werden nun aber Strukturfondsmittel aus Brüssel gestrichen? Es war keine Überraschung, als die Nachricht kam, dass die Defizitstrafen gegen Spanien und Portugal nun definitiv vom Tisch sind. Das hatte die EU-Kommission Ende Juli vorgeschlagen. Wie der Europäische Rat am Dienstag mitteilte, sei die Frist für ein Veto gegen den vorgeschlagenen Straferlass verstrichen. Die notwendige qualifizierte Mehrheit sei nicht zustande gekommen.
Ob wirklich jemand gegen den Vorschlag bis zuletzt opponierte, wurde nicht mitgeteilt. Deutschland, das lange Zeit Sanktionen gefordert hatte, war es jedenfalls nicht. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) war umgeschwenkt und hatte am Kommissionsvorschlag mitgestrickt. Zum Ärger von Bundesbankchef Jens Weidmann, der noch vor wenigen Tagen angesichts der Milde polterte: »Regelverstöße müssen irgendwann Konsequenzen haben.«
Portugal verfehlte 2015 allerdings das Defizitkriterium von drei Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt nur knapp. Das Land bekommt dafür nun Zeit bis zum Jahresende. Die Linksregierung in Lissabon hat glaubhaft versichert, das Ziel wieder einzuhalten. Eine entsprechende Reserve sei gebildet. Das Geld werde nicht ausgegeben, wenn es zur Defizitreduzierung eingesetzt werden müsse.
Anders sieht die Lage in Spanien aus, das weitere zwei Jahre Zeit eingeräumt bekam und erst 2018 die Stabilitätsgrenze einhalten muss. Das Haushaltsdefizit lag 2015 bei 5,1 Prozent und soll im laufenden Jahr nur auf 4,6 Prozent gedrückt werden. Wie das geschehen soll, ist unklar. Seit vergangenem Dezember gibt es nur eine geschäftsführende Regierung – die Bildung einer neuen ist nach den Neuwahlen im Juni weiter unsicher. Über einen dritten Urnengang im Dezember wird verstärkt spekuliert, weil der konservative Premier Mariano Rajoy weiter keine Unterstützer hat. Wie man bis zum 15. Oktober Brüssel, wie verlangt, einen Haushalt vorlegen will, in dem sich glaubhaft abbilden lässt, im Jahr 2017 wieder auf 3,1 Prozent Neuverschuldung zu kommen, steht in den Sternen.
Nach der Sommerpause will Brüssel entscheiden, ob Zahlungen aus den Europäischen Sozial-, Struktur- und Investitionsfonds an die beiden Länder eingefroren werden. Darüber wird dann mit Vertretern des Europaparlaments beraten. »Wir haben zwar beschlossen, die Geldbußen zu streichen, aber dafür gleichzeitig entschieden, die Zahlungen aus den Strukturfonds auszusetzen«, sagte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dem »Tagesspiegel«. Das sei »mittel- und langfristig vernünftiger und zielführender als Sanktionen um der Sanktionen Willen«.
EU-Wirtschaftskommissar Jyrki Katainen wies kürzlich darauf hin, dass »ein Teil« der Gelder ausgesetzt werde, wenn man feststellen würde, dass »ein Mitgliedsland keine effektiven Maßnahmen« ergreifen wolle. Die Mittel können aber wieder freigegeben werden, wenn vorgelegte Haushaltspläne die Einhaltung der Kriterien aus dem Stabilitätspakt zusagen. Sollte Spanien wegen der fehlenden Regierung keinen Haushalt vorlegen können, müsste das unweigerlich zum Einfrieren der Fondsgelder führen. Das könnte schmerzlicher sein als eine Defizitstrafe, die im spanischen Fall bis zu 2,2 Milliarden Euro hätte betragen können. Doch vielleicht wird hier erneut eine Ausnahme für Spanien gemacht.