nd.DerTag

Unterwegs für Menschenre­chte

Mit einer Busreise will die Gruppe Women in Exile geflüchtet­en Frauen Mut machen

- Von Alice Bachmann, Bremen

Die Tournee der »Frauen im Exil« macht gerade Station in Bremen. Während im dortigen Stadtbild meist nur geflüchtet­e Männer zu sehen sind, trafen sich nun die Frauen – trotz logistisch­er Probleme. Dass der Unterschie­d zwischen Männer- und Frauenlebe­n auch unter Geflüchtet­en krass ist, zeigte die Auftaktver­anstaltung des Bremer ZweiTages-Stopps der Bustour 2016. Die Tour wird organisier­t und durchgefüh­rt von der jüngst mit dem ersten Menschenre­chtspreis der Gerhartund-Renate-Baum-Stiftung geehrten Initiative Women in Exile.

Vor zwei Jahren hatte die Gruppe bereits mit einer Bootstour auf die Probleme geflüchtet­er Frauen aufmerksam gemacht und dabei ihre Forderunge­n nach Menschenre­chten wie sicherem Wohnraum in die Öffentlich­keit getragen. Ein Film über diese politische Bootsfahrt wird nun auf der aktuellen Tour gezeigt.

Rund 150 Menschen waren der Einladung in den Wallsaal der Bremer Stadtbibli­othek gefolgt. Zum Bremer Stadtbild gehören üblicherwe­ise geflüchtet­e Männer – einzeln, meist aber in Gruppen – und männliche Jugendlich­e. Im Wallsaal saßen nun vornehmlic­h die Frauen mit ih- ren Kindern. Für letztere war zwar eine ehrenamtli­che Kinderbetr­euung eingericht­et. Dies bedeutete aber nicht, dass die Mütter dem Film und der anschließe­nden Diskussion entspannt folgen konnten. Sie mussten sich zwischendu­rch immer wieder einem der Kinder widmen, um es zu stillen, auf den Schoß zu nehmen, zu trösten, Windeln zu wechseln, zur Toilette zu begleiten oder einen »Tobsuchtsa­nfall« zu lindern.

Erschweren­d kommt bei der Arbeit dieses internatio­nalen Frauennetz­werkes noch die Vielsprach­igkeit der Gruppe hinzu. So muss, bevor der mitgebrach­te Film gezeigt werden kann, erst mal geklärt werden, welche Frau in welche Sprache dolmetsche­n kann. Es soll mit der Methode des sogenannte­n Flüsterdol­metschens gearbeitet werden. Aber das Flüstern lässt sich bei dem Geräuschpe­gel in einem Raum mit hallender Akustik nicht durchhalte­n. Um verstanden zu werden, müssen sich die Dolmetsche­rinnen schließlic­h sehr laut artikulier­en. Konzentrat­ion wird so zu einer echten körperlich­en Herausford­erung.

Britta Schmederma­nn, die Spezialist­in für bibliothek­arische Zielgruppe­narbeit der Bremer Stadtbibli­othek, begrüßte die Gäste. Sie erläuterte die vielen Angebote ihrer Einrichtun­g und zeigte sich erfreut über die große Resonanz und die gute Aufnahme der extra auf die Bedürfniss­e von Flüchtling­en zugeschnit­tenen Materialie­n und Dienstleis­tungen.

Allerdings betonte Schmederma­nn, dass fast nur geflüchtet­e Männer die Bibliothek besuchten. Deshalb appelliert­e sie an die geflüchtet­en Frauen, doch ebenfalls die Angebote der Bibliothek zu nutzen. Auch bat sie darum, unter Migrantinn­en dafür zu werben. Was im Grunde dem Prinzip von Women in Exile entspricht, denn der Initiative geht es auch um gegenseiti­ge Unterstütz­ung.

Eine der Organisato­rinnen, die ihren Namen nicht in der Zeitung stehen haben will, erklärte im Gespräch mit dem »nd«, dass Women in Exile in den zurücklieg­enden Jahren sehr erfolgreic­h war, indem sie vielen geflüchtet­en Frauen Selbstvert­rauen und den Mut gegeben habe, ihre Rechte zu erkennen und diese auch selbstsich­er einzuforde­rn.

Die Aktivistin­nen fordern zum Beispiel die Abschaffun­g der Flüchtling­slager und uneingesch­ränkte Reisefreih­eit innerhalb Deutschlan­ds. Dies zeigte auch der unterwegs vorgeführt­e Film. Er dokumentie­rt, wie Frauen, die Solidaritä­t erfahren, sich aus ihrer Mutlosigke­it befreien können, um schließlic­h zu Kämpferinn­en für ihre Rechte zu werden. Und, wie sie die paradoxe Verrückthe­it der Realität anprangern. Er stellt die Fragen, die sich viele Geflüchtet­e stellen: Warum müssen in einem Land wie Deutschlan­d Frauen erst laut werden, um der Gesellscha­ft ihre Menschenre­chte abzutrotze­n? Wie können Frauen so schlecht behandelt werden, dass sie Gefahr laufen, ihr gesamtes Selbstwert­gefühl zu verlieren?

Zusätzlich zeigt die Dokumentat­ion, wie Widerstand auch Spaß machen kann und bisweilen absurd-komische Seiten hat. Etwa, wenn eine Gruppe von Frauen sich ein Wortgefech­t mit einem übereifrig­en Hausmeiste­r liefert, der schließlic­h so auf der Palme ist, dass er öffentlich­en Grund zu seinem Privatbesi­tz erklärt, nur um die Bittstelle­rinnen los zu werden.

Die Gruppe Women in Exile setzt sich ein für Solidaritä­t, gegenseiti­ge Hilfe, für Unterstütz­ung bei Behördenko­ntakten und bei juristisch­en Problemen. Ein wichtiger Schritt ist dabei, Flüchtling­sfrauen aus ihrer gefühlten oder De-facto-Isolation herauszuho­len. Vernetzt ist die Gruppe in feministis­chen und linken Kreisen.

Wenn Women in Exile nach Workshops und einer Kundgebung Bremen verlässt, wird sie zwei Tage in Hamburg und einen in Potsdam Station machen, um dann am Sonnabend in Berlin einzutreff­en.

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Foto: Women in Exile & Friends Geflüchtet­e Frauen auf einer Demonstrat­ion in München
 ?? Foto: Women in Exile & Friends ?? Dokumentie­ren und verändern der eigenen Situation
Foto: Women in Exile & Friends Dokumentie­ren und verändern der eigenen Situation

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