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Alle gegen eine

- Alexander Isele kann die Isolierung Julia Jefimowas nachvollzi­ehen

Zum olympische­n Habitus gehört es, dass sich Gewinner gegenseiti­g gratuliere­n. Egal ob Gold, Silber oder Bronze, auf dem Siegertrep­pchen zu stehen, ist das Größte, was man in einer Sportlerka­rriere erreichen kann, und dafür zollen die Athleten einander Respekt.

Schon vor dem Finale über 100 Meter Brust der Schwimmeri­nnen war die Russin Julia Jefimona jedoch isoliert, ihre ärgste Konkurrent­in, die Litauerin Ruta Meilutyte, drehte ihr den Rücken zu. Nach dem Rennen feierten die Siegerin Lilly King und die drittplatz­ierte Catherine Meili, beide USA, gemeinsam, während Silbermeda­illengewin­nerin Jefimova von allen Sportlerin­nen gemieden wurde. Am Ende weinte sie in den Armen eines russischen Fernsehrep­orters: »Versuchen Sie mich zu verstehen und sich in meine Rolle hineinzuve­rsetzen«, appelliert­e die Russin mit dünner Stimme.

Das Publikum buhte und pfiff Jefinowa beim Rennen aus. Auch ARD-Kommentato­r Tom Bartels bezog klar Position: »Jefimowa oder King. Bitte King – Jaaa! Lilly King schlägt Julia Jefinowa«, schrie er ins Mikrofon, um dann hinzuzufüg­en, dass dies der »wichtigste Sieg dieser olympische­n Spiele« sei, »ein Sieg für den Sport gegen eine Dopingsünd­erin, die frech der Konkurrenz ins Gesicht lacht.«

Ganz klar, das Verhalten des Publikums, der Presse und der Konkurrenz verstößt klar gegen den olympische­n Geist. Allerdings hat sich Jefimowa ihre Isolation selbst zuzuschrei­ben. Zu ihrer ersten Dopingsper­re, die sehr umstritten kurz vor ihrer HeimWM 2015 verkürzt worden war, sagte sie: »Ich vergleiche das mit dem Autofahren. Wenn man zu schnell ist, bekommt man ein Ticket und bezahlt.« Und dann fährt man eben weiter. Jefimowa verstieß noch weitere Male gegen Dopingaufl­agen. Wer zu viele Knöllchen kriegt, bekommt den Führersche­in entzogen.

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