Alle gegen eine
Zum olympischen Habitus gehört es, dass sich Gewinner gegenseitig gratulieren. Egal ob Gold, Silber oder Bronze, auf dem Siegertreppchen zu stehen, ist das Größte, was man in einer Sportlerkarriere erreichen kann, und dafür zollen die Athleten einander Respekt.
Schon vor dem Finale über 100 Meter Brust der Schwimmerinnen war die Russin Julia Jefimona jedoch isoliert, ihre ärgste Konkurrentin, die Litauerin Ruta Meilutyte, drehte ihr den Rücken zu. Nach dem Rennen feierten die Siegerin Lilly King und die drittplatzierte Catherine Meili, beide USA, gemeinsam, während Silbermedaillengewinnerin Jefimova von allen Sportlerinnen gemieden wurde. Am Ende weinte sie in den Armen eines russischen Fernsehreporters: »Versuchen Sie mich zu verstehen und sich in meine Rolle hineinzuversetzen«, appellierte die Russin mit dünner Stimme.
Das Publikum buhte und pfiff Jefinowa beim Rennen aus. Auch ARD-Kommentator Tom Bartels bezog klar Position: »Jefimowa oder King. Bitte King – Jaaa! Lilly King schlägt Julia Jefinowa«, schrie er ins Mikrofon, um dann hinzuzufügen, dass dies der »wichtigste Sieg dieser olympischen Spiele« sei, »ein Sieg für den Sport gegen eine Dopingsünderin, die frech der Konkurrenz ins Gesicht lacht.«
Ganz klar, das Verhalten des Publikums, der Presse und der Konkurrenz verstößt klar gegen den olympischen Geist. Allerdings hat sich Jefimowa ihre Isolation selbst zuzuschreiben. Zu ihrer ersten Dopingsperre, die sehr umstritten kurz vor ihrer HeimWM 2015 verkürzt worden war, sagte sie: »Ich vergleiche das mit dem Autofahren. Wenn man zu schnell ist, bekommt man ein Ticket und bezahlt.« Und dann fährt man eben weiter. Jefimowa verstieß noch weitere Male gegen Dopingauflagen. Wer zu viele Knöllchen kriegt, bekommt den Führerschein entzogen.