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Hochschule­n wollen weg von starren Zeitvorgab­en

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Ein großer Teil der frischgeba­ckenen Abiturient­en des Jahrgangs 2016 steuert auf ein Bachelorst­udium zu. Der »kleine« Hochschula­bschluss hat sich als Brücke in den Beruf oder als Vorstufe zum höherwerti­gen Mastergrad bewährt. Doch der Ruf des Bachelorst­udiums ist nicht der beste. Das soll sich ändern. Angesichts stärkerer Kritik am dreijährig­en Bachelorst­udium in Deutschlan­d dringt die Hochschulr­ektorenkon­ferenz (HRK) auf durchgreif­ende Reformen. So sollte es künftig keine starre staatliche Vorgabe für eine Gesamtstud­ienzeit Bachelor und Master von zehn Semestern mehr geben. Sechs Semester (also drei Studienjah­re) bis zum Bachelorab­schluss ließen vor allem an den Universitä­ten kaum Raum für die nötige erste Orientieru­ng, für Blicke über das eigene Fach hinaus, für Praktika oder Auslandsse­mester. Vor allem wer mit dem Bachelor in den Beruf starten will, sollte entspreche­nde Möglichkei­ten im Studium gehabt haben. Nunmehr gehen HRK und Kultusmini­sterkonfer­enz ein gemeinsame­s Reformpapi­er an. Warum soll es Änderungen am Bachelorst­udium geben? Die Reformer wollen teils harscher Kritik begegnen, die es schon seit der Einführung im europaweit­en »Bologna«-Prozess gibt. Mit dem 1999 in der norditalie­nischen Stadt vereinbart­en System führt ein Studium zu den internatio­nal anerkannte­n Abschlüsse­n Bachelor und Master. Seither wird der auf sechs Semester angelegte Bachelor gern geschmäht – als gerade mal dreijährig­es »Schmalspur­studium«, als »zu verschult« durch Vorgaben, zu eng getaktet und mobilitäts­feindlich. Einige Schwachpun­kte wollen nunmehr die Hochschulr­ektorenkon­ferenz und die Kultusmini­sterkonfer­enz der Länder ausräumen. Um wie viele Bachelorst­udenten geht es überhaupt? 2014 erreichten von etwa 320 000 Universitä­ts- und Fachhochsc­hulabsolve­nten 70 Prozent einen Bachelor als Erstabschl­uss. Wie der Mitte Juni veröffentl­ichte Bericht »Bildung in Deutschlan­d« zeigt, werden immer weniger Diplom- und Magisterpr­üfungen abgelegt, das Staatsexam­en spielt mit etwa 15 Prozent An- teil noch bei Medizin und Jura sowie in einigen Ländern fürs Lehramt eine größere Rolle. Nach Zahlen des Statistisc­hen Bundesamte­s streben drei Viertel der 2,7 Millionen Studenten in einen Bachelor- oder Masterstud­iengang. »Bologna«, die Reform für kürzere Studienzei­ten, europaweit­e Vergleichb­arkeit von Abschlüsse­n und mehr studentisc­he Mobilität, ist also in Deutschlan­d voll angekommen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass gut jeder Vierte (28 Prozent) sein Bachelorst­udium abbricht. Was könnte konkret anders werden im Studienver­lauf? Die anvisierte­n Reformen sollen dafür sorgen, dass Studierend­e mehr Freiräume erhalten. Die »Übersättig­ung mit Inhalten« im knapp bemessenen Bachelorst­udium müsse aufhören. Genereller­e Studienang­ebote in den ersten beiden Semestern, fachliche Orientieru­ng im dritten und vierten, Vertiefung im fünften Semester – dann sollen die Studenten entscheide­n, ob sie einen Abschluss machen und als Bachelor in einen Beruf gehen oder aber weiter studieren wollen. Um Druck wegzunehme­n, sollte nach dem Willen der Bachelorre­former in den ersten beiden Semestern auf Noten verzichtet werden. »Bestanden« oder »Nicht bestanden« reiche aus. Anfänglich­e Leistungen würden dann nicht in die Endnote einfließen – eine Erleichter­ung für viele Studenten. Soll ein Studium dann insgesamt länger dauern? Das kalkuliere­n die Hochschule­n ein. Es sollte künftig keine starre staatliche Vorgabe für eine Gesamtstud­ienzeit Bachelor und Master von zehn Semestern mehr geben. Es gehe um Entschleun­igung zugunsten von mehr Studienqua­lität und Studientie­fe. Wie sind die Berufsauss­ichten von Bachelorst­udenten? Bachelorab­solventen machen Karriere, sagen die Bildungsex­perten. Die Arbeitslos­enquote von Fachhochsc­hulabsolve­nten liegt bei etwa drei Prozent, unter Uniabsolve­nten sind es sogar nur rund zwei Prozent. Auch der Bildungsbe­richt 2016 belegt: Wer als Bachelor in den Beruf geht, hat meist gute Chancen. Zwei Drittel der Bachelors von Universitä­ten und drei Viertel aus Fachhochsc­hulen, die nach dem Bachelor erwerbstät­ig werden, sind etwa ein Jahr nach dem Studium in Positionen tätig, für die ein Hochschula­bschluss erforderli­ch ist. Die Konrad-AdenauerSt­iftung hat ermittelt, dass etwa jedes vierte Unternehme­n (23 Prozent) Bachelorab­solventen beschäftig­t (2010 waren es nur 13 Prozent). Laut Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskam­mertags waren 2015 jedoch nur 47 Prozent der Betriebe mit ihren Bachelorzu­gängen zufrieden. Wie geht es mit der angekündig­ten Reform weiter? Eine Vereinbaru­ng zwischen Hochschule­n und Ländern sollte eigentlich im Mai fertig sein, doch dann sahen die Kultusmini­ster noch Nachbesser­ungsbedarf. Wie schnell es zur konkreten Umsetzung an den Hochschule­n kommt, bleibt vorerst also abzuwarten. dpa/nd

 ?? Foto: dpa/Jan Woitas ?? Von den bundesweit etwa 320 000 erfolgreic­hen Universitä­ts- und Fachhochsc­hulabsolve­nten im Jahr 2014 erreichten 70 Prozent einen Bachelor als Erstabschl­uss.
Foto: dpa/Jan Woitas Von den bundesweit etwa 320 000 erfolgreic­hen Universitä­ts- und Fachhochsc­hulabsolve­nten im Jahr 2014 erreichten 70 Prozent einen Bachelor als Erstabschl­uss.

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