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Über Felder und Strände

- Von Johanna Reinicke Gustave Flaubert und Maxime Du Camp: Über Felder und Strände. Eine Reise in die Bretagne. Aus dem Französisc­hen von Cornelia Hasting. Dörlemann. 447 S., Leinen, 35 €.

Im Sommer 1847 brechen sie auf, die Bretagne zu Fuß zu entdecken: Gustave Flaubert und sein Freund Maxime du Camp fangen ihre Wanderung im Süden an, halten sich meist an die Küste und gehen »Über Felder und Strände« – so der Titel ihrer jetzt erstmals vollständi­g auf Deutsch veröffentl­ichten gemeinsame­n Reiseberic­hte. Sie sind Mitte Zwanzig, haben erste literarisc­he Arbeiten verfasst und eine glänzende Zukunft vor sich. Im Schatten von »Madame Bovary« oder der »Éducation sentimenta­le« sind die Reiseberic­hte aus der Bretagne in Deutschlan­d lange links liegen gelassen worden – zu Unrecht! Welcher Reichtum erschließt sich aus den Beobachtun­gen der Freunde, welch schöne Impression­en vermitteln sich dem Leser, wie viel Geschichte und Kultur, wie viele Menschen lernt der Leser kennen!

Drei Monate sind sie unterwegs. So »unerhört« es auch für die Arbeitende­n auf den Feldern gewesen sein mag, zwei Müßiggänge­r spazieren zu sehen, so literarisc­h setzten die beiden ihre in vollen Zügen genossene Freiheit um. Dabei sparen sie nicht mit Kritik. Manche Herberge ist eigentlich unbewohnba­r, manches Essen nicht genießbar und manche Kirche einfach hässlich.

Doch die Natur ist – hier bei Saint-Malo – überwältig­end und inspiriert zur schönsten gesungenen Prosa: »Der Himmel war rosig, das Meer still und der Wind eingeschla­fen. Nicht eine Falte kräuselte die reglose Fläche des Ozeans, welche die untergehen­de Sonne mit ihrem Gold überschütt­ete; bläulich nur an den Seiten und dort gleichsam im Nebel verdunsten­d, war das Meer sonst überall rot und noch feuriger hinten am Horizont, wo sich, so weit man sehen konnte, ein langer Purpurstre­ifen erstreckte.« Selbst für die »Tugendhaft­igkeit« der bretonisch­en Mädchen haben die Wanderer ein Ohr, wenn ein Lehrer und ein Gastwirt in der Schenke »einhellig erklären, dass die bretonisch­en jungen Mädchen gerne hinter den Hecken und auf den Strohballe­n Gott Amor ihr Opfer brächten«.

Neun Jahre später hat Du Camp seine Zeit als Revolution­är von 1848 hinter sich und wird in der von ihm herausgege­benen Zeitschrif­t »La Revue de Paris« Flauberts »Madame Bovary« veröffentl­ichen und den Staatsanwa­lt wegen »Verherrlic­hung des Ehebruchs« auf den Plan rufen. Die Weltlitera­tur ist um eines ihrer großen Werke bereichert. Die literarisc­he Kraft dazu hatte Flaubert auf seinen Wanderunge­n in der Bretagne geschöpft.

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