Sechs Milliarden mit Erbschaftsteuer
15 Prozent Plus gegenüber Vorjahr
Wiesbaden. Die Steuereinnahmen aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer haben einen neuen Höchststand erreicht. Sie stiegen im Jahr 2015 gegenüber dem Vorjahr um 15,4 Prozent auf 6,3 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte. Die Einnahmen aus der Steuer stehen den Ländern zu.
Insgesamt wurden Vermögen im Umfang von 102 Milliarden Euro vererbt oder verschenkt. Laut den Statistikern war die Summe rückläufig, was vor allem auf begünstigte Vermögensarten zurückzuführen sei. So wurden bei den Betriebsvermögen 12,4 Prozent weniger als 2014 vererbt – damals gab es Vorzieheffekte wegen der befürchteten Einschränkung von Steuerprivilegien. Laut der SPD-Finanzexpertin Cansel Kiziltepe wurden 2015 aber immer noch Betriebsvermögen im Wert von 56,8 Milliarden Euro steuerfrei übertragen. Hieraus resultierten Steuerausfälle im Umfang von 13 Milliarden Euro. »Diese Privilegierung von Superreichen ist ein ungeheurer gesellschaftlicher Skandal«, erklärte Kiziltepe.
Der neue Höchststand bei den Einnahmen täuscht über die geringe Bedeutung der Erbschaftsteuer hinweg. Der anhaltende Streit über eine Reform dreht sich aus staatlicher Sicht eher um »Peanuts«.
Deutschlands Wirtschaftswundergeneration ist in die Jahre gekommen. So stiegen die Einnahmen aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer im vergangenen Jahr auf einen neuen Rekordwert von 6,3 Milliarden Euro. Das waren rund 15 Prozent mehr als im Vorjahr, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte. Trotz des neuen Höchststands bestätigen die neuen Zahlen jedoch den Trend, dass die sogenannten Reichensteuern kaum Geld in die Staatskasse spülen.
Auch aus der Vermögensteuer waren 1996 umgerechnet nur 4,6 Milliarden Euro an den Fiskus geflossen. Seither wird diese Steuer gar nicht mehr erhoben, denn die vom Bundesverfassungsgericht angemahnte Gesetzesreform blieb aus. Verteilt wurden die Einnahmen auf die Bundesländer, genau so wie heute die Steuereinnahmen aus Erbschaften und Schenkungen. Was die offensichtliche Trägheit vieler Bundespolitiker, die sie bei beiden Reichensteuern an den Tag legen, zum Teil erklären mag.
Auch die Erbschaftsteuer hat Karlsruhe in ihrer bisherigen Form für verfassungswidrig erklärt und der Regierung Angela Merkels eine Frist bis zum 30. Juni für eine Reform gesetzt, die längst verstrichen ist. Die Richter kritisierten die Bevorzugung betrieblicher Vermögen gegenüber anderen Erbschaften: Pauschal und vom Finanzamt ungeprüft erhalten die allermeisten Unternehmen seit Jahrzehnten eine Steuerfreistellung. Eine Reform ist mittlerweile im parlamentarischen Verfahren, aber noch längst nicht beschlossen. Erst kürzlich ermahnte der Vorsitzende des Ersten Senats des Verfassungsgerichts Regierung und Bundestag, endlich zu Ergebnissen zu kommen. In der Großen Koalition und mit den Ländern wird nach wie vor hauptsächlich darüber gestritten, wie weit der Staat Firmenerben entgegenkommen soll, damit die Substanz von Unternehmen erhalten bleibt. Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat will Anfang September über die Reform verhandeln.
Die steuerlich veranlagten Erbschaften und Schenkungen beliefen sich laut Statistikamt 2015 auf 102 Milliarden Euro. Knapp 57 Milliarden Euro davon blieben steuerbefreit. Dafür sorgen hohe Freibeträge zum Beispiel für Ehepartner von 500 000 Euro oder für Kinder von 400 000 Euro. Nur was darüber hinausgeht, wird, je nach Höhe der Erbschaft, aktuell mit 7 bis 30 Prozent vom Fiskus beansprucht.
Befürworter höherer Steuersätze und geringerer Freibeträge fühlen sich durch die Zahlen der Statistiker bestätigt. Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik kritisiert – ähnlich wie Karlsruhe – die bisher »meist vollständige Erbschaftsteuerbefreiung« vor allem großer Be- triebsvermögen. Würde diese Sonderrolle beendet und der Spitzensteuersatz früher angewendet, könnte die Erbschaftsteuer 20 Milliarden Euro im Jahr bringen.
Dagegen verweisen Mittelstandsverbände, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag oder unternehmensnahe Wirtschaftsforschungsinstitute auf ohnehin schon sprudelnde Steuerquellen. 639 Milliarden Euro erwartet das Bundesfinanzministerium für 2016, ein Plus von drei Prozent. Gleichzeitig entlasten die niedrigen Zinssätze für Schulden auf der Ausgabenseite Bund und Länder von Abermilliarden Euro. Höhere Einnahmen aus der Erbschaftsteuer seien daher unnötig.
Selbst wenn man diese Ansicht nicht vollends teilt, zeigen die nackten Zahlen, dass selbst von einer »linken« Reform der Erbschaftsteuer keine allzu großen Umverteilungseffekte zu erwarten sind. Auch international ist das Aufkommen der Erbschaft- und Schenkungsteuer gering. Nach einer Übersicht des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) drückt der Fiskus bei der Vermögensübergabe meist die Augen zu. Deutschland lag 2014 trotz aller Ausnahmetatbestände bei den Einnahmen an vierter Stelle. Zweistellige Milliardeneurobeträge werden nur in Japan und den USA erzielt.
Bedeutender als die Auswirkung auf den Staatshaushalt könnten die gesellschaftlichen Folgen werden, die mit der »Generation Erbschaft« verbunden sind. »Geldverdienen müssen« hat in dieser Generation an Bedeutung verloren. Das verändert die Arbeitswelt und vertieft die Kluft zwischen denen »da unten« und den etwa zehn Millionen Menschen »da oben«, die so viel erben, dass sie auch ein bisschen Steuern zahlen müssen.