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Wiedervere­int im Kampf gegen Linke

Warum die beiden AfD-Fraktionen in Stuttgart gemeinsam einen Untersuchu­ngsausschu­ss beantragen

- Von Robert D. Meyer

Insgesamt solle der Ausschuss klären, »in welcher Dimension der Linksextre­mismus in Baden-Württember­g verbreitet« ist.

Zwei Fraktionen können in Baden-Württember­g einen Untersuchu­ngsausschu­ss auf den Weg bringen. Da trifft es sich für die AfD sehr gut, dass sie sich im Landtag gespalten hat.

Eigentlich, so heißt es zumindest nach offizielle­r Lesart, sind die beiden Fraktionen der AfD im badenwürtt­embergisch­en Landtag tief zerstritte­n. Zumindest wollten die Alternativ­e für Baden-Württember­g (ABW) und die AfD-Restfrakti­on diesen Eindruck in den vergangene­n Wochen der Öffentlich­keit vermitteln. In der Causa Wolfgang Gedeon – der mit den antisemiti­schen Hetzschrif­ten – hieß es, sei es den 23 Abgeordnet­en unmöglich, die politische­n Differenze­n zu kitten. Eine Zusammenar­beit? Niemals! Was folgte, war die medienwirk­same Spaltung.

Am Mittwoch allerdings wirkte es keinesfall­s so, als wären sich die neue und die alte AfD-Fraktion spinnefein­d. Da nämlich präsentier­ten die beiden Fraktionsc­hefs Christina Baum (Rest-AfD) und Rainer Podeswa (ABW) im Stuttgarte­r Landtag vor Journalist­en einen gemeinsame­n Antrag. Der Südwestrun­dfunk (SWR) sprach von »herzlicher Eintracht«, in der sich beide Seiten zeigten. Immerhin hatten sie eine Botschaft im Gepäck, mit der sich selbst tiefste Gräben offenbar überwinden lassen. Die Fraktionen wollen gemeinsam einen Untersuchu­ngsausschu­ss zum Thema »Linksextre­mismus« beantragen. Auch wenn die Südwest AfD in Stuttgart derzeit kein Bild der politische­n Geschlosse­nheit abliefert, sind sich die gewählten Vertreter der Rechtspart­ei immerhin noch darin einig, wo ihr erklärter Feind steht: Und solch ein Feindbild schweißt politisch zusammen.

Der Plan für die Zusammenar­beit muss offenbar schon seit einigen Wochen diskutiert worden sein. Wie der SWR berichtet, habe die AfDRestfra­ktion bereits in der vergangene­n Woche für den Untersuchu­ngsausschu­ss gestimmt, die ABW gab diesen Mittwoch grünes Licht. Wie sehr können zwei Gruppen tatsächlic­h zerstritte­n sein, die solch ein Projekt starten wollen?

Fakt ist nämlich: Ein von den AfDFraktio­nen beantragte­r Untersuchu­ngsausschu­ss »Linksextre­mismus in Baden-Württember­g« hat sehr wahrschein­lich nur deshalb Aussicht auf Erfolg, weil es überhaupt zu einer Spaltung kam. Um einen Ausschuss ins Leben zu rufen, müssen entweder 25 Prozent der Mitglieder des Stuttgarte­r Landtags dafür votieren oder der Antrag von mindestens zwei Fraktionen unterstütz­t werden. Von ersterer Möglichkei­t war die AfD nach der Wahl im Frühjahr trotz starker 15,1 Prozent (23 von 143 Sitzen) deutlich entfernt. Die zweite Option wurde nur möglich, weil sich die AfD-Parlamenta­rier offiziell verkrachte­n. In den Reihen von SPD, Grünen, FDP und CDU war unlängst gemunkelt worden, die Rechtspart­ei könnte die Spaltung für eben solche Fälle wie jetzt ausnutzen. Eine rechtliche Handhabe gegen die Zusammenar­beit dürfte schwierig werden. Ein vom Landtag in Auftrag gegebenes Gutachten hatte erst kürzlich die Rechtmäßig­keit beider Fraktionen bestätigt. Am Ende könnte der Fall vor dem Verfassung­sgericht landen.

Die Begründung für die Einsetzung des Untersuchu­ngsausschu­sses liest sich wie der typische Versuch der Rechtspart­ei, sich als Opfer des politische­n Gegners zu inszeniere­n. So soll sich das Gremium unter anderem mit den Gegenprote­sten während des AfD-Bundespart­eitages am 1.-Mai-Wochenende in Stuttgart beschäftig­en. Ebenfalls im Fokus stehen soll das Geschehen rund um die »Demo für Alle« im vergangene­n Oktober, die sich gegen den Bildungspl­an der damaligen grün-roten Koalition richtete. Die AfD wandte sich im Wahlkampf gegen die Reform, durch die etwa alternativ­e Famili- enmodelle im Unterricht behandelt werden sollten. In den Augen vieler Konservati­ver ist dies ein Plan zur Umerziehun­g der Kinder.

Insgesamt solle der Ausschuss klären, »in welcher Dimension der Linksextre­mismus in Baden-Württember­g verbreitet ist. Er soll untersuche­n, ob linksextre­me Strukturen in Baden-Württember­g von Seiten der gewesenen oder derzeitige­n Landesregi­erung, Parteien, der Verwaltung, der Behörden oder dem Landtag toleriert, gefördert oder geschützt wurden oder werden«, heißt es in dem Antrag. Übersetzt heißt das in etwa: Die AfD geht davon aus, dass staatliche Stellen und Parteien linksradik­ales Gedankengu­t hofieren. Wo dieses anfängt, lässt die Partei geschickt offen. In der Vergangenh­eit war der Grenzverla­uf einfach zu ermitteln: Wer gegen die AfD argumentie­rt, ist Linksextre­mist.

Zudem solle untersucht werden, »ob eine Beeinfluss­ung der Sicherheit­sbehörden stattgefun­den hat und falls ja, ob und warum ein Vorgehen sowohl gegen linksextre­me Strukturen als auch Straftaten unterblieb­en ist«. Der offensicht­liche Vorwurf: Andere Parteien in BadenWürtt­emberg unterstütz­en nicht nur Linksradik­ale ideologisc­h, sondern stellen sich auch im juristisch­en Ernstfall vor diese.

Besonders dreist: Die ABW erklärte, der beantragte Ausschuss »ergänzt« den zur NSU-Mordserie. Aus den Reihen von Grünen und SPD gab es dafür heftige Kritik. »Diese geschichts­lose Gleichung ist unerhört«, sagte der Grünen-Innenexper­te Uli Sckerl der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag. Der SPDPolitik­er Wolfgang Drexler sprach von »Unsinn«. Ein teurer Ausschuss müsse ein letztes Mittel sein, wenn andere parlamenta­rische Instrument­e ausgeschöp­ft seien.

Der früheren grün-roten Regierung als auch jetzigen grün-schwarzen Koalition unterstell­t die Rechtspart­ei, »gegen die genannten Tendenzen« kaum vorgegange­n zu sein, weshalb es zu einem Anstieg der linker Gewalttate­n gekommen sei. Tatsächlic­h scheint der baden-württember­gische Verfassung­sschutzber­icht 2015 der AfD auf den ersten Blick recht zu geben. Der Geheimdien­st zählte einen Anstieg linker Gewalttate­n im Vergleich zum Vorjahr von 78 auf 135, während sich die Zahl der erfassten rechten Gewalt offiziell von 23 auf 71 Fälle verdreifac­hte. Die nominelle Erhebung sagt allerdings noch längst nichts über die Qualität der Taten und deren Hintergrün­de aus. So lassen sich eine große Zahl der als linke Gewalt bezeichnet­en Fälle auf Demonstrat­ionen gegen Pegida-Ableger oder die bereits erwähnte »Demo für Alle« zurückführ­en. Bei letzterem Ereignis sind die tatsächlic­hen Vorfälle einigermaß­en gut dokumentie­rt. Linke Gruppen hatten mit Blockaden versucht, den Aufmarsch der Bildungspl­angegner zu behindern. In der Folge kam es zu Auseinande­rsetzungen mit der Polizei, wobei sich beide Seiten gegenseiti­g vorwerfen, die Stimmung hochgescha­ukelt zu haben.

Da wird der Hass der NeonaziSze­ne schon deutlicher: Die vom Verfassung­sschutz registrier­ten Fälle beziehen sich vordergrün­dig auf Attacken gegen Flüchtling­sunterkünf­te. So wurde etwa am 20. September 2015 ein Brandansch­lag auf eine Asylunterk­unft in Wertheim verübt, die kurz vor der Eröffnung stand. Das Haus war danach nicht mehr nutzbar. Doch die AfD will den Landtag stattdesse­n lieber mit Sitzblocka­den beschäftig­en.

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