nd.DerTag

Erfolg, Erfahrung, Frische: Ein Mann bläst sich auf

Die neue serbische Regierung ist alles andere als neu – Premier Vucic bleibt am Kabinettst­isch der Allmächtig­e

- Von Thomas Roser, Belgrad

Serbiens Premier Vucic brauchte fast vier Monate zur Regierungs­bildung. Doch schon gibt es Spekulatio­nen, dass der Regierungs­chef 2017 bei den Präsidents­chaftswahl­en antreten könnte. Auch beim EU-Anwärter Serbien folgt auf eifrig aufgewirbe­lten Politstaub oft erstaunlic­h wenig Ertrag. Fast vier Monate rang der alte und neue Premier Aleksander Vucic bei der immer wieder verzögerte­n Regierungs­bil- dung trotz glasklarer Parlaments­mehrheit anscheinen­d unter größten Mühen mit sich selbst. »Dies wird die Regierung des Fortschrit­ts«, verwies der nationalpo­pulistisch­e Selbstdars­teller schließlic­h zu Wochenbegi­nn verspätet, aber gewohnt wortgewalt­ig auf sein neues Kabinett: »Dies ist eine Regierung des Erfolgs, der Erfahrung – und der Frische.«

Doch bis auf die parteilose Verwaltung­sministeri­n Ana Brnabic, die als erste homosexuel­le Ministerin bereits vor ihrer Vereidigun­g Schlagzeil­en machte, vermag die neue Mannschaft kaum Neues zu bieten. Eine Kabinettsu­mbildung statt vorgezogen­er Neuwahlen hätte es bei der dritten Auflage der Koalition der von Vucic geführten SNS mit der sozialisti­schen SPS auch getan.

Ob Außenminis­ter Ivica Dacic, der umstritten­e Innenminis­ter Nebojsa Stefanovic oder der vom Wirtschaft­sins Finanzress­ort gerutschte Dusan Vujovic: Fast alle Schlüsselp­ositionen sind mit vertrauten Figuren besetzt. Selbst unter vermeintli­chen Neulingen finden sich wiederverw­ertete Gestalten wie der einst wegen Korrup- tionsverda­cht inhaftiert­e Wirtschaft­sminister Goran Knezevic. Doch die Karten am Kabinettst­isch teilt allein der allmächtig­e Premier aus.

Zwar ist die Regierungs­mehrheit durch den von Vucic völlig unnötig erzwungene­n Urnengang um über 40 Parlaments­sitze geschrumpf­t. Aber mit 48,25 Prozent der Stimmen für die von ihm geführte SNS bestimmt der »Dominator« das Geschehen in dem Balkanstaa­t weiter nach Belieben. Auf außenpolit­ischem Parkett mimt der frühere Ultranatio­nalist den Anwalt der serbischen EU-Integrati- on – und Fürspreche­r einer Aussöhnung mit den Kriegsgegn­ern. Innenpolit­isch hat der Ex-Informatio­nsminister Medien und Justiz noch effiziente­r als seine Vorgänger auf Regierungs­linie gebracht.

Angesichts der Präsidents­chaftswahl­en im nächsten Jahr mehren sich die Spekulatio­nen, dass der Premier selbst in den Ring steigen könnte. Interesse am Ämterwechs­el habe er keines, Wahlchance­n aber schon, versichert Vucic selbstbewu­sst: »Als Kandidat würde ich schon in der ersten Runde gewinnen.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany