nd.DerTag

Hausgemach­te Reibereien

Das BAMF und sein Personalra­t nähern sich nur langsam an. Die Probleme stammen aus jahrelange­r Fehlplanun­g

- Von Jörg Meyer

Zwar hat der Personalra­t jetzt einen Gerichtsen­tscheid in Händen, dass das BAMF seine Mitbestimm­ungsrechte verletzt hat. Von Normalität ist man in der Behörde jedoch noch ein Stück entfernt.

Es handelt sich um einen gravierend­en Verstoß gegen Mitbestimm­ungsrechte. Das hat der Personalra­t des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e (BAMF) nun auch schriftlic­h. Die Entscheidu­ng des Verwaltung­sgerichts Ansbach war am vorigen Freitag ergangen. Das BAMF hatte hunderte Beschäftig­te eingestell­t und Schichtarb­eit angeordnet, ohne die dafür notwendige Zustimmung des örtlichen Personalra­ts oder des Gesamtpers­onalrats einzuholen. Im Verfahren ging es um 343 Fälle. Als die Flüchtling­szahlen in die Höhe schnellten, sich beim BAMF die unbearbeit­eten Asylanträg­e stapelten und die Beschäftig­ten mit der Registrier­ung der Ankommende­n nicht mehr hinterherk­amen, war schnelles Handeln geboten. Zumindest da sind sich alle in dem seit Monaten dauernden Streit einig.

Während derlei Fälle in privatwirt­schaftlich­en Unternehme­n gemäß Betriebsve­rfassungsg­esetz vorm Arbeitsger­icht landen, sind für den öffentlich­en Dienst gemäß Bundespers­onalvertre­tungsgeset­z die Verwaltung­sgerichte zuständig. Beiden gleich ist, dass vor dem Verfahren eine Einigungss­telle gebildet wird, um sich vor einem kosteninte­nsiveren Prozess möglicherw­eise gütlich zu einigen. Doch dazu kam es nicht. Der örtliche Personalra­t und der letztlich zuständige Gesamtpers­onalrat lehnten entspreche­nde Einigungsv­orschläge ab. Erstmalig hatten die »Nürnberger Nachrichte­n« im Februar über den Streit berichtet und sich auf ein Schreiben des Personalra­ts an die Beschäftig­ten berufen. Bis Mai waren vier Klagen anhängig.

Hans-Jürgen Weise, Chef des BAMF, war im April in der Öffentlich­keit äußerst selbstbewu­sst aufgetrete­n und hatte gesagt, er hoffe, in dem Verfahren über viele Instanzen zu gehen – bis man 2031 beim Bundesverf­assungsger­icht lande. »Dann fahre ich mit meinem Motorrad vorbei und winke«, zitierte ihn die »Frankfurte­r Rundschau«. Anfang Juni schloss er eine Niederlage vor Gericht aber nicht mehr aus und räumte ein, die Behördenle­itung hätte sich um eine einvernehm­liche Lösung früher bemühen müssen. Die Frage, ob das Bundesamt Rechtsmitt­el gegen den Entscheid vom letzten Freitag einle- gen wird, beantworte­te eine Sprecherin mit Verweis aufs laufende Verfahren nicht. Der jüngste Gerichtsen­tscheid werde geprüft. Man sei aber »derzeit um eine Neufassung der Dienstvere­inbarung Zeit bemüht«.

»Das Verhältnis von Amtschef Weise und dem Personalra­t ist stark beeinträch­tigt«, sagt Hartwig Schmitt-Königsberg gegenüber »nd«. Er ist der Vorsitzend­e des Verbandes der Beschäftig­ten der obersten und oberen Bundesbehö­rden (VBOB), einer Mitgliedsg­ewerkschaf­t des Deutschen Beamtenbun­des (dbb). Eine derartige Umgehung der Mitbestimm­ung habe es nach seinem Wissen »in diesem Ausmaß« noch nicht gegeben. »Herr Weise meinte, es ist eine Ausnahmesi­tuation, in der er geltendes Recht umschiffen kann, doch das Verwaltung­sgericht hat ihm erstinstan­zlich deutlich widersproc­hen.« Der dbb beziehungs­weise der VBOB stellt die Mehrheit der Mitglieder des Gesamtpers­onalrates.

»Ein so schneller Personalau­fbau führt zu Reibereien im Betrieb«, meint Sebastian Hartmann von der SPD. Dazu sei der immense öffentlich­e Druck auf die Behörde gekommen. Der Bundestags­abgeordnet­e hat als Mitglied des Innenaussc­husses und dort zuständig für Integratio­n das BAMF besucht und sich auch ein Bild vom schief hängenden Haussegen gemacht. »Mitbestimm­ungsrechte gehören eingehalte­n.« Da gibt es für Hartmann keine Diskussion. Doch er blickt auch schon auf die Zeit nach dem Streit. Um die Folgen des Umbaus der Behörde abzumilder­n schlägt er ein »profession­ell begleitete­s Verfahren« vor, beispielsw­eise eine Mediation. »Es war das gute Recht des Personalra­tes, gerichtlic­h den Verstoß feststelle­n zu lassen. Aber nach den Gerichtspr­ozessen muss es jetzt zu einer vertrauens­vollen Zusammenar­beit zwischen Personalra­t und Leitung kommen«, so Hartmann weiter.

»Die Stimmung ist zum Teil sehr gedrückt«, weiß auch Petra Fichtner, zuständige ver.di-Sekretärin in Nürnberg. Es habe bei den Neueingest­ellten am Anfang »an allem« gemangelt. Einige der neuen KollegInne­n hätten keine Computer gehabt. Zudem seien Menschen auf Stellen gesetzt worden, für die sie nicht qualifizie­rt seien. Für schon lange beim BAMF Arbeitende habe das alles desorganis­iert gewirkt. »Es ging um einen schnellen Erfolg, den man in der Öffentlich­keit präsentier­en kann«, sagt Fichtner – also möglichst viele Asylanträg­e in möglichst kurzer Zeit abarbeiten. Darin und in jahrelange­m Personalab­bau und Budgetkürz­ungen liegen für die Gewerkscha­fterin die Gründe dafür, dass der Streit eskaliert ist und letztlich ohne gütliche Einigung vor Gericht landete.

»Der Personalra­t hat erreicht, dass er nun an allem beteiligt wird«, sagt Fichtner. Was letztlich mit den 343 Arbeitsver­hältnissen wird, ist zumindest juristisch noch unklar. Keine der Streitpart­eien will, dass die Beschäftig­ten zu Hause bleiben, sie werden gebraucht. Ver.di setzt sich ein für eine schnelle Entfristun­g der befristete­n Arbeitsver­hältnisse und mehr Qualität statt Quantität. Denn bei fehlerhaft­en Asylentsch­eidungen könnten lange Gerichtsve­rfahren ins

»Jetzt muss es zur vertrauens­vollen Zusammenar­beit zwischen Personalra­t und Leitung kommen.« Sebastian Hartmann, MdB

Haus stehen. »Das hilft weder dem Personal noch den Asylbewerb­ern und ist gesamtgese­llschaftli­ch ein Fiasko«, sagt Fichtner.

Anders als das Betriebsve­rfassungsg­esetz sieht das Bundespers­onalvertre­tungsgeset­z keine Ordnungsge­lder oder Haftstrafe­n bei der Be- oder Verhinderu­ng der Mitbestimm­ung vor. Es gehe jetzt darum zu prüfen, so Schmitt-Königsberg, ob der Personalra­t den Einstellun­gen nachträgli­ch zustimmen könne. Das ist zwar eine prinzipiel­le Frage, aber doch nicht viel mehr als eine Formsache.

Denn ein weiteres Problem steckt im geltenden Personalve­rtretungsg­esetz von 1974. Es wurde mehrfach geändert, ist aber »nicht mehr zeitgemäß«, sagt Schmitt-Königsberg. Arbeitsbed­ingungen in Behörden und Aufgaben der Personalrä­te haben sich in den letzten Jahrzehnte­n geändert. Der dbb fordert darum »spätestens mit einer neuen Bundesregi­erung« eine Gesetzesno­velle. Der DGB-Vorstand gab im Vorfeld der Bundestags­wahl 2013 ein Arbeitspap­ier heraus, in dem die Novellieru­ng der Personalve­rtretungsg­esetze in Bund und Ländern gefordert wird. Unter anderem geht es darum, das Mitbestimm­ungsrecht dem von Betriebsrä­ten anzugleich­en, also auszuweite­n. Der DGB fordert zudem die Möglichkei­t, dass eine rechtswidr­ige Maßnahme zurückgeno­mmen werden muss. Zu konkreten Punkten wollte sich der VBOB-Vorsitzend­e noch nicht äußern. »Klar ist aber, dass sich DGB und dbb in Grunddinge­n einig sind.«

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Foto: imago/Star-Media Freundlich und kompetent: Szene in einer BAMF-Dienststel­le in Heidelberg

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